24.11.2011

Erste Elektronenblitze bei REGAE

Einer der kleinsten wissenschaftlichen Beschleuniger bei DESY hat ein wichtiges Etappenziel erreicht: REGAE (Relativistic Electron Gun for Atomic Exploration) hat in der letzten Woche seine ersten Elektronen beschleunigt und ist damit offiziell in Betrieb gegangen.

Physikerin Shima Bayesteh an der REGAE-Anlage in Gebäude 23.

REGAE ist ein gemeinsames Projekt der CFEL-Partner Max-Planck-Gesellschaft, Universität Hamburg und DESY. In der knapp zehn Meter langen Anlage sollen ultrakurze Elektronenpulse von hoher Kohärenz erzeugt werden, um zeitaufgelöste Strukturuntersuchungen an kristallisierten Materialproben zu machen. REGAE soll auch die Möglichkeiten erproben, in-situ Untersuchungen von Flüssigkeiten, Oberflächen und Flüssigphasen in der Nanochemie durchzuführen. Genauso wie Wissenschaftler Lichtteilchen aus Speicherringen oder Freie-Elektronen-Lasern auf ein Material schießen, um aus den Beugungsbildern auf die molekulare Struktur zu schließen, sind diese Experimente auch mit Elektronen möglich. In einer langen gemeinsamen Geschichte der Komplementarität zwischen Röntgen- und Elektronenproben bietet diese neue Anlage die Möglichkeit zur Untersuchung von Systemen, die aufgrund der geringen Eindringtiefe der Elektronen im Vergleich zu Röntgenstrahlen bestens für Nanomaterialien geeignet ist.

Für die benötigte Zeitauflösung zur Verfolgung von Atombewegungen soll REGAE Elektronenpakete mit einer Dauer von nur etwa 10 Femtosekunden (Milliardstel Millionstel Sekunden) Länge liefern und damit extrem hoch zeitaufgelöste Experimente erlauben. Der Durchmesser der Elektronenpakete beträgt etwa einen halben Millimeter, die Länge allerdings nur etwa ein Fünftel des Durchmessers eines Haares. Treffen die Elektronen auf ein Untersuchungsobjekt, werden sie durch die Molekülstruktur der Probe abgelenkt. Die Ablenkungswinkel, die ein Maß für die Atomabstände in der Probe sind, werden mit Hilfe eines neuartigen CCD-Detektors mit großer Präzision gemessen. Die Experimentiermethode ist vergleichbar mit der eines Transmissions-Elektronenmikroskops.

Projektleiter Dwayne Miller (CFEL) schwärmt: “Mit unseren neuesten Entwicklungen zur Herstellung von intensiven nur Femtosekunden kurzen Elektronenpulsen wird REGAE die direkte Beobachtung der Bewegungen von Atomen auf dieser Zeitskala ermöglichen – das Molekülkino kann jetzt alle Schauspieler, also die Atome, in voller Aktion filmen – sogar die, die sich ganz schnell bewegen!“

REGAE besteht aus einer Elektronenquelle, die ähnlich wie bei FLASH aufgebaut ist, aber mit einer Hochfrequenz von 3 Gigahertz. arbeitet. Die Elektronenpakete, gefüllt mit jeweils etwa  tausend-mal weniger Elektronen als bei FLASH, werden auf eine Gesamtenergie von 5 Mega-Elektronenvolt (MeV) beschleunigt und mittels einer besonderen Beschleunigungseinheit komprimiert: Eine so genannte „Buncher Cavity“ beschleunigt die hinteren Teilchen im Paket, während die vorderen abgebremst werden. Der optische Laser, der in der Quelle  das Elektronenpaket auslöst, kann gleichzeitig zur Anregung der Probe verwendet werden, um so genannte Pump-Probe-Experimente zu erlauben.

Auch wenn sich REGAE auf den ersten Blick nicht nur durch seine Größe deutlich von FLASH und European XFEL unterscheidet, gibt es große Synergien mit den Freie-Elektronen-Lasern. „Wir profitieren bei REGAE sehr von den Erfahrungen, die wir bei FLASH gesammelt haben“, erklärt Beschleunigerphysiker Klaus Flöttmann (DESY). „Die Parameter von REGAE sind zwar äußerst anspruchsvoll, aber unsere Erfahrungen machen uns sehr zuversichtlich, dass wir hier bald eine sehr gute Methode für zeitaufgelöste Elektronendiffraktion haben, die auch noch sehr schonend mit den untersuchten Proben umgeht.“ Gleichzeitig lernen die Wissenschaftler aus ihren  REGAE-Erfahrungen für den Betrieb von FELs – zum Beispiel bei Synchronisation und Timing.

Nach der jetzt stattgefundenen Inbetriebnahme der 2 Millionen-Euro-Anlage will die Arbeitsgruppe unter Leitung von Dwayne Miller jetzt die Diagnosesysteme in Betrieb nehmen, die Synchronisationssoftware optimieren und das Vakuumsystem komplettieren. Wenn alle Tests erfolgreich laufen, könnte es bereits im Januar des nächsten Jahres erste Experimente mit REGAE geben.

Für die Zukunft ist außerdem eine weitere hochinteressante Aufgabe für das Experiment vorgesehen: der Femtosekunden-Strahl von REGAE soll in eine Plasmawelle injiziert werden, die von einem hochenergetischen Laser angeregt wird, um so die Beschleunigung bei extrem hohen Gradienten zu testen.

Die ersten Elektronen zeigen sich auf dem Kontrollmonitor.