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01.03.2013
Genaueste Stoppuhr für Röntgenlaser
Zeitmesser ermöglicht neue Einblicke in ultraschnelle molekulare Prozesse
Das richtige Timing ist alles bei Experimenten mit modernen Röntgenlasern wie FLASH bei DESY oder LCLS (Linac Coherent Light Source) am US-Beschleunigerzentrum SLAC. Mit intensiven Laserpulsen werden an diesen Maschinen Prozesse untersucht, die sich auf molekularer Ebene und im Femtosekundenbereich abspielen. Eine Femtosekunde ist der billiardste Teil einer Sekunde, also 0,000 000 000 000 001 Sekunden. Die exakte Bestimmung des Zeitpunkts, an dem der Laserstrahl die Probe trifft, kann für das Gelingen eines Experiments entscheidend sein. Im Fachblatt "Nature Photonics" berichtet eine internationale Forschergruppe jetzt über ein Verfahren, mit dem sich die Ankunftszeiten der Laserpulse auf etwa zehn Femtosekunden exakt bestimmen lässt - so genau wie nie zuvor.
„Die Entwicklung so einer präzisen 'Stoppuhr' mit einer Zeitauflösung von wenigen Femtosekunden ermöglicht eine Vielzahl von Anwendungen, um ultraschnelle Prozesse in Physik, Chemie und Biologie aufzuklären“, sagt DESY-Wissenschaftlerin Marion Harmand, die Hauptautorin der Studie. Zu dem Team gehören auch Forscher vom SLAC, der Polnischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Rennes (Frankreich).
Viele Experimente an Röntgenlasern werden mit einem konventionellen Laserblitz gestartet, der beispielsweise eine chemische Reaktion in Gang setzt. Mit dem kurzen, intensiven Röntgenblitz wird die Probe dann in verschiedenen Phasen der Reaktion durchleuchtet. Diese Art Versuch wird auf Englisch "Pump-Probe-Experiment" genannt, weil der konventionelle, optische Laser die Probe zunächst in den gewünschten Zustand "hochpumpt", wo sie dann vom Röntgenblitz sondiert wird ("probe").
Die zeitliche Präzision eines solchen Pump-Probe-Experimentes ist in der Regel dadurch begrenzt, wie gut der optische Laserblitz und der Röntgenlaserblitz zueinander synchronisiert werden können. Normalerweise schwanken die Ankunftszeiten beider Blitze gegeneinander, im Englischen wird dies als „Jitter“ bezeichnet. "Dieser Jitter liegt für Systeme, die elektronisch miteinander synchronisiert sind, im Bereich mehrerer hundert Femtosekunden oder mehr", erläutert Ko-Autor Sven Toleikis von DESY. "Intensive Forschung, unter anderem bei DESY, ermöglicht es mittlerweile, beide Systeme, also den konventionellen Laser und den Röntgenlaser, optisch über Glasfaserkabel miteinander zu synchronisieren. Dadurch wird eine Genauigkeit von weit unter 100 Femtosekunden erreicht." Überwinden lässt sich der Jitter, indem man die relativen Ankunftszeiten für beide Blitze bei jedem Doppelschuss mithilfe einer äußerst präzisen Stoppuhr direkt misst und die im Pump-Probe-Experiment gewonnen Aufnahmen nachträglich anhand der gemessenen Ankunftszeiten sortiert.
Für die Technik wird der Röntgenblitz durch eine dünne, optisch transparente Membran geschossen. Sie steht schräg, so dass die eine Seite etwas eher vom Röntgenblitz getroffen wird als die andere. "Beim Durchgang der Röntgenphotonen durch die Membran entstehen durch Photoionisation freie Ladungsträger im Material, die die optischen Eigenschaften des Materials verändern", erläutert Toleikis. Das lässt sich mit dem konventionellen Laser messen: Die Membran wird dunkler. Allerdings wird der konventionelle Laserblitz für das eigentliche Experiment stets vor dem Röntgenblitz ausgelöst. Daher koppeln die Forscher einen Teil des konventionellen Laserblitzes aus und lenken ihn über eine Umleitung von fest definierter Länge, eine sogenannte Delay-Line. Währenddessen überholt der Röntgenblitz, so dass er nun zuerst auf die Membran trifft. Der genaue Ort der Verdunkelung auf der Membran verrät den Forschern dann, wieviele Femtosekunden der Röntgenblitz vor dem konventionellen eingetroffen ist. Zusammen mit der immer gleichen Länge der Delay-Line ergibt sich daraus der genaue Zeitabstand der beiden Pulse am Experiment.
Die Wissenschaftler maßen den Abstand der beiden Blitze auf diese Weise mit zwei ähnlichen Verfahren. "Im Grunde genommen sind diese Stoppuhren nur zwei weitere ultraschnelle Pump-Probe-Experimente, die mit dem eigentlichen Pump-Probe-Experiment kombiniert werden", sagt Toleikis. Die Wissenschaftler untersuchten am derzeit weltstärksten Röntgenlaser LCLS mehr als 15 000 Laserpuls-Paare, wobei die beiden Stoppuhren eine exzellente Übereinstimmung lieferten.
„Wir haben zum ersten Mal bewiesen, dass diese Stoppuhren auch mit harter Röntgenstrahlung funktionieren und dass die Genauigkeit der Messungen damit entscheidend verbessert wird“, sagt Harmand. Bisher war diese Technik erst bei harter UV- und weicher Röntgenstrahlung möglich. Ein Teil der beschriebenen Techniken wird künftig permanent an der LCLS eingesetzt. Die Forscher wollen mit neuen Experimenten Materialien und Betriebsbedingungen an der LCLS im Hinblick auf die Zeitauflösung optimieren.
Originalarbeit: "Achieving few-femtosecond time-sorting at hard X-ray free-electron lasers"; Marion Harmand et al.; "Nature Photonics, 2013; DOI: 10.1038/nphoton.2013.11