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16.04.2013
Forscher messen den Herzschlag von Röntgenlasern
Ultraschnelle Stoppuhr bestimmt die Dauer von FLASH-Pulsen im Femtosekundenbereich
In der Natur laufen viele wichtige Prozesse in extrem kurzer Zeit ab - etwa zahlreiche chemische und biologische Reaktionen. Seit langem träumen Forscher davon, diese schnellen Vorgänge in Echtzeit filmen zu können und so die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen. Sogenannte Freie-Elektronen-Laser (FEL) versprechen mit ihren ultrakurzen, gebündelten Blitzen einen Durchbruch in der Erforschung solcher Abläufe. Dabei ist es allerdings wichtig, die genaue Länge der FEL-Blitze zu kennen, die sich typischerweise im Bereich von Femtosekunden abspielen. Eine Femtosekunde ist der billiardste Teil einer Sekunde, das entspricht 0,000 000 000 000 001 Sekunden. An DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH hat ein deutsch-polnisches Forscherteam jetzt eine neuartige Messtechnik für die Pulsdauer entwickelt, mit dem die Länge der FEL-Pulse bestimmt und gleichzeitig ultraschnelle Experimente durchgeführt werden können. Diese Forscher stellen ihre Methode im Fachblatt „Nature Communications“ vor.
„Bisherige Methoden zur Bestimmung von Röntgenpuls-Längen sind im Experiment schwer zu realisieren und unterliegen bestimmten Beschränkungen“, erklärt Erstautor Robert Riedel von der Universität Hamburg und Mitglied in Franz Tavellas Gruppe am Helmholtz-Institut Jena. Insbesondere konnte die Pulslänge nicht bestimmt werden, ohne das laufende Experiment zu unterbrechen. „Dagegen ist unsere Methode, die Pulslänge während des Experiments bestimmen, leichter durchzuführen, und eignet sich für ein ganzes Spektrum von FEL-Wellenlängen und Pulslängen.“
Mit ihrer neuen Methode haben die Forscher erfolgreich Femtosekunden-Pulse von FLASH vermessen, die im Energiebereich vom extremen Ultraviolett (XUV) bis zur weichen Röntgenstrahlung liegen. Die Technik ist aber auch für FELs mit höherer Energie geeignet, beispielsweise für den derzeit stärksten Röntgenlaser Linac Coherent Light Source (LCLS) am SLAC National Accelerator Laboratory in Kalifornien oder für den neuen europäischen Röntgenlaser European XFEL, der gerade in Hamburg gebaut wird.
Zur Untersuchung ultraschneller Prozesse wird häufig das sogenannte Pump-Probe-Verfahren benutzt. Dabei löst ein Laserblitz zunächst beispielsweise eine chemische Reaktion in der Probe aus (pump), und ein zweiter Laserblitz (probe) macht dann eine Aufnahme davon. Jeder Blitz kann aber nur eine Einzelaufnahme liefern, quasi ein Standbild. Der zeitliche Verlauf des untersuchten Prozesses lässt sich aufzeichnen, indem man die Messung sehr oft wiederholt und dabei den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Laserblitzen kontrolliert verändert. Bei diesen Experimenten kommt es auf das exakte Timing an. Abhängig von der Art des Experiments kann der FEL-Blitz entweder als Pump- oder Probe-Puls wirken. Der andere Puls wird üblicherweise von einem optischen Laser geliefert.
Unregelmäßiger „Herzschlag“
Ein Problem für die Synchronisation der beiden Pulse ist der unregelmäßige „Herzschlag“ der FELs. Die Länge der einzelnen FEL-Pulse und die Zeit zwischen ihnen variiert von Blitz zu Blitz. Deshalb brauchen die Forscher einen schnellen Zeitmesser, der genau angibt, wann jeder einzelne Puls auf die Probe trifft und wie lange er dauert. Während sich optische und Infrarot-Pulse bereits sehr gut analysieren lassen, können diese Verfahren nicht einfach auf XUV- und Röntgenpulse angewendet werden. „Zurzeit gibt es keine universelle Methode für diese FEL-Pulse“, sagt DESY-Forscher Sven Toleikis, der die Forschungsarbeit des Teams koordiniert hat. „Obwohl bereits verschiedene Verfahren getestet worden sind, handelt es sich dabei im Wesentlichen um eigene Experimente, die das Pump-Probe-Experiment unterbrechen. Außerdem mitteln viele Methoden über mehrere Einzelpulse, oder sie funktionieren nur für einen schmalen Wellenlängenbereich.“
Zusammen mit anderen Mitgliedern des Forscherteams hat Toleikis kürzlich an der Entwicklung der weltweit genauesten Stoppuhr für energiereiche Röntgenlaser mitgearbeitet, mit der sich die Ankunftszeiten der Laserpulse an der LCLS mit einer unübertroffenen Genauigkeit von zehn Femtosekunden bestimmen lassen. Wie die Forscher jetzt zeigen, lässt sich dieselbe Technik nutzen, um den „Herzschlag“ eines Freie-Elektronen-Lasers zu messen, indem nicht nur die Ankunftszeit, sondern zugleich auch die ebenso wichtige Dauer der einzelnen FEL-Pulse bestimmt wird.
Das Verfahren nutzt eine dünne Membran, die vorübergehend stärker spiegelt, wenn sie mit FEL-Strahlung beschossen wird. In einem Versuchsaufbau, der von DESY-Forscher Nikola Stojanovic und Franz Tavella entwickelt wurde, leuchteten die Wissenschaftler mit einem Infrarotlaser auf Membranen aus Siliziumnitrid. Hinter der Membran, die zunächst durchsichtig für Infrarotlicht ist, zeichnete eine Kamera die Intensität des durchgelassenen Laserlichts auf. „Wenn wir gleichzeitig einen Röntgenblitz durch die Membran schicken, bemerken wir eine Abschwächung des Infrarotlichts hinter der Membran“, erläutert Riedel. „Der Röntgenblitz erzeugt in dem Material ein Elektronenplasma, das wie ein Spiegel für das optische Laserlicht wirkt.“ So wird die Membran weniger durchsichtig.
Messung individueller Pulse
Die Membran steht schräg im Weg des Röntgenpulses, so dass dieser an einem Ende früher auftrifft als am anderen. Daher fangen unterschiedliche Abschnitte der Membran zu unterschiedlichen Zeiten an zu spiegeln. Die zeitliche Struktur des Röntgenpulses schlägt sich auf diese Weise in einer räumlichen Verteilung in der Membran nieder. Aus dem Übergang zwischen dunklen und hellen Bereichen können die Forscher die Dauer des Röntgenblitzes berechnen.
Kern dieser Analyse ist die Tatsache, dass jedes absorbierte Photon des Röntgenblitzes in eine konstante Anzahl spiegelnder Elektronen verwandelt wird. Das bestätigen theoretische Berechnungen am Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), einer gemeinsamen Einrichtung von DESY, der Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. „Nur mit diesem Resultat waren wir in der Lage, andere Anregungsprozesse auszuschließen und die Veränderung der Reflektivität allein dem Röntgenpuls zuzuschreiben“, betont Riedel.
Die Forscher konnten mit ihrem Verfahren FLASH-Pulse von 21 und 184 Femtosekunden Dauer bei zwei unterschiedlichen Laserwellenlängen vermessen. „Mit unserer Methode können Wissenschaftler direkt die Länge der FEL-Pulse in ihrem Experiment messen, und zwar für jeden einzelnen Puls“ sagt Toleikis. Dabei ist die Membran so dünn, dass sie das Experiment nicht stört. Das Team verwendete eine Siliziumnitridmembran, die lediglich 20 millionstel Millimeter (20 Nanometer) dünn war. „Dieses dünne Material schluckt nur 50 bis 80 Prozent der FEL-Strahlung und lässt genug Intensität für andere Experimente durch“, sagt Riedel. Das erlaubt Forschern, künftig während ultraschneller Pump-Probe-Experimente auch die Pulsdauer zu messen.
An der Arbeit waren Forscher von der Universität Hamburg, vom Helmholtz-Institut Jena, DESY, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Center for Free-Electron Laser Science, der Universität Duisburg-Essen sowie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau beteiligt.
Originalarbeit:
"Single-shot pulse duration monitor for extreme ultraviolet and X-ray free-electron lasers"; Robert Riedel et al.; Nature Communications (2013); DOI: 10.1038/ncomms2754