13.06.2013

Forscher durchleuchten Datenspeicher der Zukunft

Röntgenuntersuchung erklärt Instabilität von ReRAM-Speicherzellen

Eine Vielzahl moderner Technologien ist ohne Datenspeicher nicht vorstellbar. Weit verbreitete elektronische Geräte, zu denen beispielsweise Tablet-Computer und Mobiltelefone gehören, entwickeln sich rasant und benötigen immer kleinere, schnellere und energieeffizientere Datenspeicher. Forscher von der RWTH Aachen und vom Forschungszentrum Jülich haben an DESYs Röntgenquelle DORIS einen vielversprechenden neuartigen Datenspeicher untersucht, den sogenannten ReRAM (resistive Speicherzelle). ReRAMs sind tausendmal schneller als aktuelle Datenspeicher und könnten diese in Zukunft ersetzen.

Schaltmechanismus in einer elektrochemischen Metallisierungszelle (ECM), einer Sorte resistiver Speicherzellen (ReRAM): Zwei Metallelektroden (blaue und graue Kugeln) sind durch einen festen, nicht-metallischen Elektrolyten (gelb) getrennt. Unter normalen Bedingungen funktioniert der Elektrolyt als Isolierung der beiden Elektroden, und der elektrische Widerstand der Speicherzelle ist hoch (obere Abbildung, im Zustand AUS). Wenn eine Spannung von außen angelegt wird, löst sich das Metall der aktiven Elektrode im Elektrolyt-Material auf, und es bildet sich ein Nanodraht, der beide Elektroden überbrückt (untere Abbildung, Zustand EIN). Der elektrische Widerstand der Speicherzelle ist jetzt niedrig, und es fließt Strom. Der hohe und niedrige Widerstand der ECM sind die beiden möglichen Werte einer Binärziffer, also eines Bits. (Bild: Ilia Valov, RWTH Aachen/Forschungszentrum Jülich)

Speicherzellen sind hohen Belastungen ausgesetzt und müssen Daten über einen langen Zeitraum hinweg stabil sowie reproduzierbar speichern. Die zurzeit verwendeten ReRAM-Einheiten werden aber an einem gewissen Punkt instabil, was zu Datenverlusten führt.  Für ihre Studie haben die Wissenschaftler die Instabilität von ReRAM-Speicherzellen untersucht und die zugrundeliegenden Mechanismen, die zum Datenverlust führen, im Fachjournal "Scientific Reports" dargestellt. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt für die industrielle Weiterentwicklung von ReRAM-Speichereinheiten.

Tausendmal schneller als Flash-Speicher

Computer speichern Daten als eine Folge binärer Ziffern, den Bits, die nur einen von zwei Zuständen haben können: EIN oder AUS. Je nach Art des Datenspeichers werden diese beiden Zustände verschieden erzeugt. Das dynamische RAM (Random-Access Memory) eines PCs beispielsweise speichert Informationen in Kondensatoren, die entweder geladen oder ungeladen sind. Flash-Speicher, die in Speicherkarten, Solid-State-, USB-Flash-, oder anderen Laufwerken verwendet werden, speichern Informationen in Transistoren, die auf leitend oder nicht-leitend geschaltet werden können. Bei ReRAMs, einem neuartigen Datenspeicher, der zurzeit in der Entwicklung ist, wird der elektrische Widerstand eines isolierenden dünnen Films verändert, um einen elektrischen Strom zu leiten. Hoher und niedriger Widerstand sind die beiden Werte eines gespeicherten Bits. Anders als das dynamische RAM, wo die gespeicherten Daten beim Ausschalten des Geräts gelöscht werden, sind Flash-Speicher und ReRAMs permanent, d.h. die gespeicherte Information bleibt auch ohne äußere Stromzufuhr erhalten.

„In vielerlei Hinsicht sind ReRAMs besser als Flash-Speicher“, sagt Ilia Valov, Wissenschaftler an den Instituten in Aachen und Jülich. „Die Geschwindigkeit von ReRAM-Speicherzellen beträgt weniger als zehn Nanosekunden (milliardstel Sekunden), das ist mindestens tausendmal schneller als ein Flash-Speicher.“ Abgesehen von der schnelleren Lese-/Schreibgeschwindigkeit benötigt ReRAM weniger Strom, was in Elektronikgeräten die Batterielaufzeit erhöht und den Energiekonsum reduziert.

Bei den von den Forschern untersuchten ReRAMs handelt es sich um sogenannte elektrochemische Metallisierungszellen (ECM). ECM-Speicherzellen bestehen aus zwei Metallelektroden, die durch einen nichtmetallischen Elektrolytfilm getrennt sind. Da der Elektrolyt die beiden Elektroden isoliert, hat die Zelle einen hohen elektrischen Widerstand und eine geringe elektrische Leitfähigkeit. Wenn jedoch eine Spannung angelegt wird, löst sich eine der Elektroden – die sogenannte aktive Elektrode – teilweise in dem Elektrolyt und bildet einen metallischen Nanodraht, der beide Elektroden überbrückt. Die Zelle kann jetzt Strom leiten, ihr Widerstand wurde von hoch auf niedrig geschaltet. Der Umschaltprozess ist umkehrbar: Wenn die Spannung umgepolt wird, verschwindet der Nanodraht wieder, und die Zelle kehrt in ihren ursprünglichen Zustand zurück.

Instabile Elektroden-Elektrolyt Schnittstelle

Ein Problem, das bisher noch nicht in den Griff zu bekommen war, ist die Auflösung des Materials der aktiven Elektrode im Elektrolyt auch ohne angelegte Spannung. Durch dieses Phänomen geht schließlich der elektrische Kontakt zwischen der aktiven Elektrode und dem Elektrolyt verloren, und die ECM-Zelle verliert ihre Funktionalität. „In unserer Studie haben wir den zugrundeliegenden Zersetzungsmechanismus an der Elektroden-Elektrolyt-Grenzfläche untersucht“, sagt Valov. „Wir wollten genau prüfen, wie der elektrische Kontakt verlorengeht.“

Die Forscher untersuchten 50 Nanometer dünne Elektrolytfilme aus Silberjodid, auf die sie unterschiedlich dicke Silberschichten als aktives Elektrodenmaterial aufbrachten. Mit Hilfe der sogenannten Röntgenbeugung entdeckten die Forscher, dass die innere Struktur des Silberjodid-Films mit zunehmender Dicke der Silberschicht immer mehr gestört wird. „Das Ergebnis weist darauf hin,dass sich eine beträchtliche Menge Silber im Silberjodid löst“, erklärt Deok-Yong Cho, Wissenschaftler an der Seoul National University, der zur Zeit der Studie als Humboldt-Stipendiat an der RWTH Aachen war.

Bildung von Silberatom-Clustern

Was genau passiert aber, wenn Silber in das Silberjodid eindringt? Um diese Frage zu beantworten, hat das Forscherteam die Proben an DESYs Röntgenquelle DORIS mit Hilfe der Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS) durchleuchtet. Mit XAS können die Wissenschaftler bestimmte Atomtypen in der Probe auswählen und deren durchschnittliche Umgebung innerhalb eines Radius von wenigen zehntel Nanometern genau bestimmen. Sollte eine chemische Wechselwirkung zwischen dem gelösten Silber und dem Silberjodid stattgefunden haben, würden resultierende Veränderungen in den Silber- und Jod-Umgebungen  zu charakteristischen Veränderungen in den XAS-Daten führen.

Überraschenderweise entdeckten die Forscher, dass sich die Umgebungen des Silbers und des Jodids nicht verändert hatten, obwohl sich Silber im Elektrolyt gelöst hat. „Die XAS-Ergebnisse zeigten, dass es weder eine chemische Wechselwirkung noch eine Veränderung der lokalen Struktur an der Silber-Silberjodid-Schnittstelle gibt“, sagt Cho. „Außerdem reproduzieren theoretische Simulationen der XAS-Daten [für die metallische Silberumgebung] die experimentellen Daten nur dann, wenn wir mindestens 43 Silberatome in die Berechnung einbeziehen.“ Die Forscher schließen daraus, dass das Silber in Form von Silberatom-Clustern in das Silberjodid eindringt, also als Silberaggregate mit einem Durchmesser von mehr als einem halben Nanometer.

Verbesserung des ReRAM-Materials

Anders als Silberjodid können andere Elektrolyte Silber chemisch auflösen. Bei Germaniumsulfid beispielsweise ist das Verhältnis von Germanium zu Sulfid flexibel, und es kann Silber aus der Elektrode in die unstrukturierte Matrix aufnehmen. Dies ändert die elektrochemischen Eigenschaften des Elektrolyten und könnte ein Grund für die beobachtete Instabilität in dem ECM-Material sein. „Ein wichtiges Ergebnis unserer Studie ist die Tatsache, dass sich Silber [in dem Elektrolyt] als Cluster ausbreiten und so den Verlust des elektrischen Kontakts verursachen kann, auch wenn es nicht chemisch gelöst ist.“, erklärt Valov.

Das Wissen um den genauen Diffusionsmechanismus an der Elektroden-Elektrolyt-Grenze sollte für zukünftige Entwicklungen von ECM-Speicherzellen von großer Bedeutung sein. Spezielle Trennfilme könnten beispielsweise die Stabilität von Silber/Silberjodid Speicherzellen erhöhen, indem sie die Ausbreitung von Atom-Clustern in den Elektrolyten verhindern.

„Tatsache ist, dass es bisher keinen klaren Gewinner bei der Auswahl von ReRAM-Materialien gibt“, betont Cho. „Wir planen deshalb, unsere XAS-Analysen auch auf andere ECM-Materialien auszudehnen und konzentrieren uns dabei vor allem auf die Grenzflächen, die offensichtlich das Verhalten der Systeme entscheidend beeinflussen.“

 

Originalveröffentlichung
Cho, D., Tappertzhofen, S., Waser, R., and Valov, I.: "Chemically-inactive interfaces in thin film Ag/AgI systems for resistive switching memories"; Sci. Rep. 3, 1169; DOI:10.1038/srep01169 (2013).