11.12.2013

DESY-Gruppe entwickelt neues Injektionskonzept für die Plasmabeschleunigung

Ein Team um DESYs Plasmabeschleuniger-Forscher Jens Osterhoff hat ein neues Konzept zur Verbesserung von elektronenstrahlgetriebenen Plasmabeschleunigern entwickelt. Simulationen versprechen, dass man nach dieser Idee Teilchenpakete sehr hoher Qualität beschleunigen kann. Die DESY-Forscher, die Experimente am SLAC in USA und an FLASH in Hamburg planen, stellen die Ergebnisse ihrer Studien jetzt im Fachjournal Physical Review Letters vor.

Simulation des Durchflugs eines kleinen ultra-relativistischen Elektronenpakets durch ein Wasserstoff-Plasma. Die obere Bildfolge zeigt die Freisetzung von Helium-Elektronen, die nur durch das stark beschleunigende Wakefield erfolgt. Das große Bild zeigt das entstandene Elektronenpaket in der Heckwelle des eingeschossenen Pakets. Das Beschleunigungsfeld beträgt hier mehr als 100 GV/m (Gigavolt pro Meter).

Plasma-Wakefield-Beschleunigung ist eine relativ junge Technik, um Teilchen auf sehr kurzen Strecken auf höchste Energien zu bringen. Die Idee: Durch einen in eine Plasmazelle eingeschossenen Teilchenstrahl oder einen intensiven Laserblitz wird aus einem Gas ein Plasma erzeugt, ein hoch angeregter Zustand von ionisierter Materie, in dem sich Elektronen und Atomkerne völlig frei bewegen können. Das ins Gas geschossene Teilchenpaket zieht eine Art Heckwelle – das sogenannte Wakefield – hinter sich her, in der sich sehr hohe elektrische Felder ausbilden. Und mit diesen Feldern wollen die Wissenschaftler weitere Teilchen beschleunigen, die entweder direkt aus dem Plasma kommen oder zur geeigneten Zeit in das Plasma eingeschossen werden. Diese vielversprechende Technik wird gerade intensiv auf ihre Tauglichkeit für zukünftige Beschleunigeranwendungen untersucht, unter anderem im Portfolioprogramm ARD (Accelerator Research & Development) der Helmholtz-Gemeinschaft. Langfristig sollen damit sogar Beschleuniger für die Teilchenphysik oder zum Betreiben von Freie-Elektronen-Lasern möglich sein.

Ein bisheriger Schwachpunkt der Plasmabeschleunigung ist, Teilchenstrahlen der für diese Anwendungen nötigen Qualität in der Heckwelle des Plasmas mitzunehmen und zu beschleunigen. Das Problem tritt gerade beim sogenannten strahlgetriebenen Plasma auf, wenn ein Teilchenstrahl die Plasmawelle antreibt: Die Heckwelle der Teilchen, die mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch das Gas fliegen, ist einfach zu schnell, um die freien Elektronen im Plasma quasi „aus dem Stand“ mitzureißen und zu einem verwertbaren Paket zu formen.

Um dieses Problem zu lösen, schlagen die DESY-Physiker jetzt einen unkonventionellen Weg ein: Sie mischen dem Wasserstoffgas in der Plasmazelle lokal gezielt kleine Mengen Helium bei. Wenn man jetzt ein Teilchenpaket in die Zelle einschießt, entstehen in der Plasmazelle zwei Bereiche, in denen das Wasserstoffgas vollständig ionisiert ist. Die Heliumatome im kurzen vorderen Bereich der Plasmazelle werden allerdings nicht schon vom Elektronenstrahl selbst ionisiert, sondern erst durch die Plasmaheckwelle. Die Elektronen des Heliums werden dadurch in einem genau definierten Bereich der Plasmawelle freigesetzt und sofort durch das hohe elektrische Feld mitgerissen. „Mit dieser Anordnung erreichen wir, dass diese Elektronen der starken Beschleunigung im Wakefieldbereich optimal folgen können, ohne weiter steuernd eingreifen zu müssen“, sagt Alberto Martinez de la Ossa, der die Idee zu dieser Studie hatte. „Die Injektion der Elektronen in die Plasmawelle hängt nur vom Wakefield selbst ab, daher verspricht diese Technologie eine größere Stabilität als alle bisherigen Techniken.“ Zudem kann durch die Dotierung die Anzahl der für den Beschleunigungsvorgang eingefangenen Elektronen kontrolliert werden.

Um ihre Ideen zu testen, führten die Forscher sehr rechenintensive 3D-Simulationen ihres Experiments auf dem DESY-HPC (high-performance computing)-Cluster und dem Hochleistungsrechner JUQUEEN am Forschungszentrum Jülich durch. Sie simulierten den Einschuss eines Teilchenpakets mit einer Energie von 23 Giga-Elektronenvolt (GeV) und Eigenschaften, wie sie der FACET-Beschleuniger am kalifornischen Forschungszentrum SLAC anbietet, in eine 46 Zentimeter lange Plasmazelle. Diese Plasmazelle kreierten die Forscher in ihren Simulationen so, dass sie größtenteils mit reinem Wasserstoff gefüllt ist, und nur am Eingang durch eine dünne Düse ein Helium-Wasserstoff-Gemisch durch die Zelle geblasen wird. „Die Feldprofile, die die Simulationen vorhersagen, sind sehr vielversprechend“, erklärt Jens Osterhoff. „Im Bereich des Heliums hat das Wakefield eine sehr hohe Feldstärke, die das Helium ionisieren und die Elektronen mit mehr als 100 Gigavolt pro Meter beschleunigen kann; im Bereich des reinen Wasserstoffs bleibt die Feldstärke erhalten, so dass das qualitativ hochwertige Elektronenpaket konstant weiterbeschleunigt wird.“ Die Simulationen, die über eine Beschleunigungsstrecke von zwanzig Millimeter durchgeführt wurden, zeigten, dass das im Plasma erzeugte und beschleunigte Elektronenpaket über diese kurze Distanz nicht nur eine Energie von bis zu 3 GeV und eine Pulslänge von rund einem Mikrometer hatte, sondern in weiteren für die Beschleunigerphysik wichtigen Eigenschaften wie Intensität, Emittanz und Energieverteilung eine hohe Qualität aufwies. „Wir konnten die sehr rechenintensive Simulation bei 20 Millimetern abbrechen, weil die kritische Startphase des Pakets beendet war und die weitere Beschleunigung in guter Näherung linear hochskaliert werden kann“, so Osterhoff. „Die gängige Theorie sagt aus, dass wir dem Teilchenpaket die doppelte Energie des Strahls zuführen können, der die Plasmawelle gezündet hat. Das Paket der beschleunigten Elektronen ist dann zwar deutlich kleiner, aber die Energie läge an FACET bei 46 GeV und die Emittanz der so kreierten Strahlen ist im Vergleich zum Treiberstrahl um eine Größenordnung verbessert.“

Als nächstes wollen die Forscher Experimente an der FACET-Anlage am SLAC durchführen, um ihren Aufbau unter realen Bedingungen zu prüfen. Am FLASH-Beschleuniger bei DESY soll dann ab 2016 das Experiment „FLASHForward“ in Betrieb gehen: In einer 10 Zentimeter langen Plasmazelle wollen die Forscher sowohl Teilchen aus dem Plasma selbst beschleunigen, als auch Teilchenpakete aus FLASH auf höhere Energien bringen.

PRL-Veröffentlichung