02.07.2012

Wie macht man Schnappschüsse von ultraschnellen Elektronen?

Röntgenstrahlen werden seit langem zur Untersuchung von komplexen Molekülen auf atomarer Ebene eingesetzt. Die dazu verwendeten Methoden wurden mit der Zeit bis zur Perfektion verbessert, wie beispielsweise DESYs Lichtquelle PETRA III zeigt. Bisher sind die erzeugten Abbildungen jedoch immer statisch: Es handelt sich um Bilder, die eine räumliche Auflösung haben, aber keinen zeitlichen Ablauf darstellen. Freie-Elektronen-Laser, eine neue Generation von Röntgenquellen mit extrem kurzen Lichtpulsen mit bisher nie dagewesener Intensität, versprechen eine baldige Lösung dieses Problems und eröffnen damit völlig neue Möglichkeiten, um Materie in Bewegung abzubilden. Ein Ziel des neu entstehenden Forschungsbereichs der zeitauflösenden Bildgebung (time resolved imaging, TRI) ist die Sichtbarmachung von Elektronenbewegungen in Atomen, von komplexen Molekülen oder von vielatomigen Systemen, beispielsweise bei der Bildung und dem Aufbrechen von Bindungen. Was aber passiert bei der Wechselwirkung eines ultrakurzen Röntgenpulses mit bewegten Elektronen, wie lässt sie sich beschreiben? Wie wird das Streubild eines dynamischen Systems interpretiert?

Visualisierung eines Experiments mit ultrakurzen Röntgenblitzen, die die Bewegung von Elektronen einfangen.

Um diese Frage zu beantworten, hat eine Gruppe Theoretiker am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) bei DESY die Wechselwirkung von Licht und dynamischer Materie simuliert. Die Forscher stellten fest, dass die entstandenen Beugungsmuster erheblich von den bisher bekannten Interpretationen statischer Streumuster abweichen, und dass sie direkte Informationen über die Elektronenbewegung enthalten. Die Ergebnisse des Forscherteams wurden heute im wissenschaftlichen Fachjournal PNAS (Proceedings of the National Academy of Science), USA, veröffentlicht.

Für die Simulation der Röntgenbeugung in einem dynamischen Elektronensystem nutzten die Forscher zwei Modelle, die das Licht beschreiben. Es zeigte sich, dass im Modell der Quantenelektrodynamik (QED), in der Licht als Photonen beschrieben werden, die Bewegungen von Elektronen hervorragend beschreibt, während ein klassisches Modell, in dem Licht als Welle beschrieben wird, irrtümlich vorhersagt, dass das Beugungsmuster zu der augenblicklichen Position der Elektronen in Beziehung steht.

Bei Experimenten mit zeitaufgelöster Bildgebung löst ein sehr kurzer Laserpuls von Attosekunden Länge (10-18s) eine Elektronenbewegung in einem atomaren, molekularen oder vielatomigen System aus. Diese Bewegung kann als elektronisches Wellenpaket beschrieben werden. Dieses Wellenpaket kann im Anschluss in verschiedenen Zeitintervallen mit einem ultrakurzen Röntgenpuls untersucht werden. Die dabei entstehenden Streumuster verändern sich während der Elektronenbewegung. Bei Simulationen auf Basis des QED-Modells des Lichts entstanden Streumuster von atomarem Wasserstoffs, die die reale Quantenbewegung des Elektrons abbilden. Dieser Ansatz zur Interpretation von zeitaufgelösten Streubildern sind ein Fortschritt für das Feld der zeitaufgelösten Bildgebungsverfahren und eine gute Vorbereitung darauf, dass die Erzeugung dieser ultrakurzen Röntgenpulse bald auch technisch machbar ist, um die von der Theorie vorhergesagten Streumuster zu erhalten.

Originalveröffentlichung: "Imaging electronic quantum motion with light"; Gopal Dixit, Oriol Vendrell, Robin Santra, "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS); DOI: 10.1073/pnas.1202226109