17.09.2013

Seeding mit Femtosekunden-Präzision

Wissenschaftler veröffentlichen Ergebnisse des ersten FEL-Seedings im Extrem-Ultraviolett

Forscher von Universität Hamburg und DESY haben zum ersten Mal den Freie-Elektronen-Laser FLASH im direkten Seeding-Verfahren betrieben. Durch die Überlagerung der fast lichtschnellen FLASH-Elektronenpakete mit sehr kurzen Laserpulsen im extrem ultravioletten Spektrum konnte das Team im sogenannten sFLASH-Experiment Pulse mit verbesserter Intensität und Länge im Vergleich zu spontan entstandenen FEL-Lichtblitzen herstellen. Diese Methode ermöglicht eine vollständig kohärente elektromagnetische Strahlung mit hoher Intensität und kurzer Wellenlänge, wie das Team um Jörg Rossbach und Markus Drescher von der Universität Hamburg in „Physical Review Letters“ jetzt berichtet (DOI: 10.1103/PhysRevLett.111.114801). „Mit dieser Technologie können wir nicht nur „laserartige“, sondern echte Laserstrahlung mit Wellenlängen im extremen Ultraviolettbereich erzeugen. Das verschafft enorme Vorteile bei der Untersuchung ultraschneller Phänomene, beispielsweise bei der Molekulardynamik“, erläutert Mitautor Tim Laarmann vom DESY-Röntgen-Femtochemie-Forscherteam.

Die sFLASH-Undulatoren in FLASH.

Seit etwa zehn Jahren nutzen Forscher intensive extrem ultraviolette Strahlung (EUV) und weiche Röntgenstrahlung aus Freie-Elektronen-Lasern (FEL) für eine Reihe von Experimenten und Untersuchungen, die vorher unmöglich waren. Die FEL-Strahlung wird von einem stark komprimierten ultrarelativistischen Elektronenpaket erzeugt, das durch eine Anordnung von starken Magneten – die sogenannten Undulatoren – geschickt wird. Diese zwingen die Elektronen auf einen Slalomkurs, auf dem die Elektronen spontan Undulatorlicht abstrahlen  – ein Effekt, der sich selbst zu einem exponentiellen Anstieg der Lichtintensität verstärkt. Diese sogenannte selbstverstärkende spontane Emission von Licht (Self-Amplified Spontaneous Emission = SASE) hat bereits viele Vorteile gegenüber dem spontan abgestrahlten Undulatorlicht, der Nachteil ist jedoch ihre geringe longitudinale Kohärenz. Viele Experimente würden extrem davon profitieren, wenn sie vollständig kohärente Strahlung nutzen könnten. Aus diesem Grund gibt es weltweit neue Forschungsprojekte im Beschleunigerbereich zur Verbesserung der FEL-Strahleigenschaften für Nutzer.

An FLASH haben die Wissenschaftler ein Experiment aufgebaut (sFLASH = seeded FLASH), bei dem schwache, aber vollständig kohärente EUV Laserpulse (die sogenannten seed-Pulse) gleichzeitig mit dem Elektronenstrahl in den Undulator geschickt werden. Durch die Wechselwirkung des externen Laserfeldes dieser Seed-Pulse mit den Elektronen im Undulator ist es möglich, den FEL-Prozess auszulösen (zu „seeden“) und so vollständig kohärente Pulse mit einer um mehrere Größenordnungen verstärkten Pulsenergie zu erzeugen. Das Problem dabei ist, die kurzen Elektronenpakete mit den noch kürzeren EUV-Laserpulsen zu treffen. „Wir sprechen hier über Pulslängen von unter 50 Femtosekunden. Bei Lichtgeschwindigkeit entspricht das einer Länge, die kürzer ist als die Dicke eines menschlichen Haares“, erklärt Jörn Bödewadt. Um diese Pulse zu überlagern, bedarf es einer anspruchsvollen Diagnostik, um die Position des Strahls und den Zeitpunkt des Zusammentreffens beider Strahlen zu messen und zu steuern.

Der EUV-Seeding-Strahl wird durch eine nichtlineare Frequenz-Konversion von Nahinfrarot-Laserpulsen in seltenen Gase erzeugt, die sogenannte „High Harmonic Generation“ HHG: Wird der Laserpuls in ein Edelgas geleitet – in diesem Falle Argon –, so kann man damit Licht mit einer wesentlich kürzeren Wellenlänge erzeugen. Für sFLASH wurde eine HHG-Quelle entwickelt, die vollständig kohärente Laserpulse bei einer Wellenlänge von 38 Nanometern erzeugt.

Nach dem Einbau der Seeding-Einrichtung im FLASH-Tunnel in den Jahren 2009/2010 haben die Wissenschaftler einige der Teilsysteme optimiert, um genügend Pulsenergie in den Seeding-Undulator transportieren zu können. Mit der Beobachtung des ersten geseedeten FEL-Signals setzten sie einen neuen Weltrekord für die kürzeste Wellenlänge, die jemals für direkt geseedete FELs benutzt wurde. Außerdem waren die für das Seeding genutzten Pulse und die Elektronenpakete um etwa eine Größenordnung kürzer als bei bisherigen Experimenten in anderen Forschungsanlagen auf der Welt.

Nach der Optimierung des Seeding-Prozesses ergab sich durch das Seeding eine deutliche Verbesserung der FEL-Pulsenergie. Da die Seeding-Pulse wesentlich kürzer sind als die Elektronenpulse, wird ein noch stärkerer Leistungsunterschied erwartet. Bei spektralen Messungen der sogenannten zweiten Harmonischen, das ist die halbe Wellenlänge der FEL-Strahlung, bei 19 Nanometer unterschied sich die Leistung zwischen geseedeter und nicht-geseedeter FEL-Strahlung um einen Faktor von 36.

In zukünftigen Experimenten wird das Team die Verbesserung der FEL-Diagnostik in Angriff nehmen, um den Nachweis des Seeding-Effekts im Zeitbereich des FEL-Pulses zu ermöglichen. Damit könnte man messen, wie weit die Eigenschaften des Seed-Pulses bei der Verstärkung im Freie-Elektronen-Laser erhalten bleiben.

Veröffentlichungen:

“Generation of Coherent 19- and 38-nm Radiation at a Free-Electron Laser Directly Seeded at 38 nm”, S. Ackermann et al., Phys. Rev. Lett. 111, 114801 (2013)

“A high-harmonic generation source for seeding a free-electron laser at 38 nm”, T. Maltezopoulos et al., Appl. Phys. B (2013) DOI 10.1007/s00340-013-5571-6

Der Plot für Experten: Wenn sich Seed-Puls und Elektronpaket überlagern (rechts), erhöht sich die Lichtintensität des FEL-Pulses auf das bis zu 36-fache.