EU-Förderung für zwei von DESY koordinierte Projekte

Innerhalb ihres 6. Rahmenprogramms hat die Europäische Kommission zwei Projekte zur Förderung ausgewählt, die vom Forschungszentrum DESY in Hamburg koordiniert werden. Unter allen Mitbewerbern um die begehrten Fördergelder belegten die Projekte "EUROFEL" und "EUROTeV" den ersten und zweiten Platz in der Bewertung der Gutachter. Beide erhalten ab 2005 über drei Jahre verteilt jeweils etwa neun Millionen Euro, was etwa einem Drittel der insgesamt für jedes Projekt veranschlagten Mittel entspricht. Die restlichen zwei Drittel werden von den teilnehmenden Forschungseinrichtungen aus Eigenmitteln getragen.

"Mit dieser Maßnahme des 6. Rahmenprogramms fördert die Europäische Kommission erstmals nicht nur bereits bestehende Forschungsinfrastrukturen, sondern auch Designstudien zur Vorbereitung neuer Infrastrukturen", erläutert der DESY-Physiker Josef Feldhaus, der das EUROFEL-Projekt koordiniert. "Wir sind natürlich sehr erfreut, dass unser europaweites Entwicklungsprojekt für Freie-Elektronen-Laser dabei den ersten Platz belegt hat. Damit werden in Europa optimale Bedingungen für die Entwicklung dieser neuartigen Strahlungsquellen für die Forschung geschaffen." Auch Eckhard Elsen, ebenfalls Physiker bei DESY und Koordinator von EUROTeV, ist von der Entscheidung aus Brüssel begeistert: "Dass die Gutachter der Europäischen Kommission unsere Designstudie zur Optimierung eines Elektron-Positron-Linearcolliders an die zweite Stelle gesetzt haben, zeigt deutlich, welche Bedeutung dem internationalen Linearcollider als nächstem großen Projekt der Teilchenphysik in Europa beigemessen wird", betont Elsen. "Die Entscheidung ist eine deutliche Aussage für die Grundlagenforschung in Europa." Von den für Designstudien jetzt vorgesehenen 90 Millionen Euro erhalten EUROFEL und EUROTeV zusammen etwa 18 Millionen Euro.
 
Am EUROFEL-Vorhaben sind mit DESY 16 führende Forschungseinrichtungen aus fünf europäischen Ländern beteiligt. Ziel der Designstudie ist es, gemeinsam die physikalischen und technologischen Grundlagen für die nächste Generation kurzwelliger Strahlungsquellen, die so genannten Freie-Elektronen-Laser (FEL), zu entwickeln. Diese neuartigen Anlagen werden extrem brillante, ultrakurze Strahlungspulse mit laserartigen Eigenschaften vom Ultravioletten bis zum Röntgenbereich erzeugen und Naturwissenschaften und Industrie ganz neue Forschungsmöglichkeiten eröffnen. In Europa sind zurzeit sieben solche Anlagen geplant, in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Schweden. Bei DESY wird in diesem Zusammenhang das europäische Röntgenlaserprojekt XFEL vorangetrieben - ein Freie-Elektronen-Laser für Strahlung im Röntgenbereich, der in Europa einzigartig sein wird. Der XFEL wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Februar 2003 im Grundsatz genehmigt und könnte 2012 in Betrieb gehen. Eine kleinere Anlage für Strahlung im Vakuum-Ultravioletten und im weichen Röntgenbereich - der VUV-FEL - soll im Jahr 2005 bei DESY den Nutzerbetrieb aufnehmen.
 
Obwohl sich die einzelnen FEL-Vorhaben in der Technologie teilweise unterscheiden, sind die außerordentlich hohen Anforderungen an die Qualität des Elektronenstrahls und die Konzepte zur Strahlungserzeugung doch allen Projekten gemein. Genau darauf konzentrieren sich die gemeinsamen, koordinierten Aktivitäten der 16 beteiligten Forscherteams: Im Rahmen von EUROFEL werden Experimente an Testanlagen und theoretische Studien durchgeführt, um die technologischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die in Europa geplanten FEL-Anlagen verlässlich gebaut und betrieben werden können. Ein erheblicher Teil der Experimente wird am VUV-FEL bei DESY in Hamburg sowie am Photoinjektor-Teststand bei DESY in Zeuthen durchgeführt, aber auch an Testständen und Prototypen bei BESSY in Berlin, in Trieste und Frascati sowie in Daresbury und Lund. Der Gesamtumfang der geplanten Arbeiten beträgt etwa 130 Personenjahre, wovon etwa 70 beantragt werden, d.h. es werden mehr als 20 Stellen für Nachwuchswissenschaftler für diese Aktivitäten in Europa neu geschaffen.
 
Die Erfolgsaussichten von EUROFEL werden von den Gutachtern sehr positiv beurteilt. In ihrem Bericht heißt es dazu: "Die Bedeutung und der Nutzen dieser neuartigen FELs sind so groß, dass ihre Entwicklung in Europa auf jeden Fall notwendig ist." Die vorgeschlagene Zusammenarbeit zwischen den europäischen Forschungslabors, an der die maßgeblichen Experten auf diesem Gebiet teilnehmen, werde wie ein Katalysator wirken, der die Entwicklung europäischer Forschungsinfrastruktur vorantreibt. Ebenso werde sie die Kosten der beabsichtigten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten senken und ihre Erfolgsaussichten maximieren. Die Gutachter loben die "wissenschaftliche und technische Exzellenz" der vorgeschlagenen Arbeiten und stellen abschließend fest, dass die Programme zum Bau kurzwelliger FELs in Europa und die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die zu ihrem Erfolg notwendig sind, "größtmögliche Unterstützung verdienen".
 
Das zweite zur Förderung ausgewählte Projekt - EUROTeV - wurde von 27 Instituten aus sechs europäischen Ländern vorgeschlagen, unter ihnen neben DESY als federführender Einrichtung auch das europäische Forschungszentrum CERN. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die europäischen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zum Design eines internationalen Linearcolliders für die Teilchenphysik zu bündeln und - in enger Absprache mit den entsprechenden asiatischen und amerikanischen Gremien - wesentliche Komponenten der Anlage bis zur Designreife weiterzuentwickeln. Ein solcher Linearcollider soll - so der weltweite Konsens - der nächste große Beschleuniger für die Teilchenphysik werden: Er eröffnet ganz neue, bisher nicht zugängliche Dimensionen, die jenen kurz nach dem Urknall ähneln, als sich bei der Entstehung des Universums die massiven Teilchen aus der kosmischen "Ursuppe" herausbildeten. Klar ist auch, dass es nur einen Beschleuniger dieser Art geben soll, der als internationales Gemeinschaftsprojekt gebaut und betrieben wird. Hintergrund des EUROTeV-Vorschlags ist damit auch, eine hochkarätige europäische Struktur zu entwickeln, aus der später der europäische Zweig der internationalen Planungsgruppe für den Linearcollider hervorgehen soll. So wird bereits jetzt intensiv nach Experten für die mehr als 40 neuen Nachwuchswissenschaftler-Stellen gesucht, die im Rahmen des Projekts für die drei Jahre besetzt werden müssen.
 
Weltweit gibt es verschiedene Konzepte für den Linearcollider, die sich in der gewählten Technologie unterscheiden - der bei DESY in internationaler Zusammenarbeit entwickelte Vorschlag TESLA setzt auf supraleitende Beschleunigungsstrukturen. Wesentliche Komponenten wie spezielle Speicherringe, in denen die Teilchenstrahlen "gekühlt" werden, Apparaturen zur Fokussierung der Strahlen auf Bruchteile von Mikrometern sowie Instrumente zur hochpräzisen Strahldiagnose sind jedoch unabhängig von der Technologie für alle Konzepte gleichermaßen wichtig. Genau dieser Komponenten wollen sich die EUROTeV-Mitglieder annehmen.
 
Die EU-Beurteilung fällt auch hier äußerst positiv aus - in Sachen "europäischer Mehrwert" gab es sogar die höchstmögliche Punktzahl: "Dieser Vorschlag vereint alle europäischen Ressourcen auf diesem Gebiet (…) und wird somit Europas Position in diesem heiß umkämpften Bereich stärken. (…) Der europäische Mehrwert ist damit maximal." Die vorgeschlagenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten werden weit über den Stand der Technik hinausgehen und sicherlich zu "wertvollen Spin-offs" sowohl für die europäische Industrie als auch für zukünftige Strahlungsquellen führen. Die Gutachter loben das Vorhaben als einen "herausragenden, vollständigen und in jeder Hinsicht überzeugenden Vorschlag", der "den Weg ebnet für eine bedeutende europäische Beteiligung und Führungsrolle bei dem technisch anspruchsvollsten Beschleuniger, der jemals gebaut wurde".
 
Nach Eingang der Bewilligungsbriefe aus Brüssel geht es in beiden Projekten nun darum, den Vertrag mit der Europäischen Kommission zu verhandeln und entsprechende Konsortialverträge auszuarbeiten, anhand derer die Beteiligung der einzelnen Einrichtungen festgelegt und geregelt wird. Damit sollte dem Projektbeginn Anfang 2005 nichts mehr entgegenstehen.

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