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DESY News: Tonmineral bewässert Erdmantel von innen
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Tonmineral bewässert Erdmantel von innen
Die Entdeckung einer neuen, wasserreichen Form des Tonminerals Kaolinit könnte das Verständnis von Prozessen verbessern, die zu Vulkanismus führen und Erdbeben beeinflussen. In Hochdruck- und Hochtemperaturuntersuchungen mit Röntgenstrahlung, die unter anderem bei DESY durchgeführt wurden, haben Wissenschaftler die Bedingungen nachgestellt, die in sogenannten Subduktionszonen herrschen. In diesen Zonen bewegt sich eine ozeanische Platte unter die kontinentale Kruste. Während der Subduktion wird Wasser im Erdinneren freigesetzt, was starke vulkanische Aktivitäten verursacht. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern der Yonsei-Universität in Südkorea stellt die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ vor.
In einer Subduktionszone trifft eine schwere ozeanische Platte auf eine leichtere kontinentale Platte und sinkt unter sie in den Erdmantel. In der ozeanischen Kruste und in Sedimenten auf der Kruste befinden sich zahlreiche Mineralien, die Wasser enthalten oder einschließen. Mit den Mineralien gelangt Wasser langsam ins Erdinnere und sinkt über Millionen von Jahren tiefer in den Mantel. Mit zunehmender Tiefe steigen Temperatur und Druck in der Subduktionszone, wodurch die Mineralien instabil werden und sich in neue Verbindungen umwandeln.Bei der Entstehung der neuen Verbindungen wird Wasser freigesetzt, das dann in den umgebenden, sehr heißen Mantel aufsteigt. Dort senkt das Wasser die Schmelztemperatur des Mantelgesteins. „Wenn die Mantelgesteine schmelzen, entsteht Magma. Das kann zu vulkanischer Aktivität führen, wenn das Magma bis an die Erdoberfläche aufsteigt“, erklärt Yongjae Lee von der Yonsei-Universität, der die Studie geleitet hat. „Wir wissen zwar, dass der Wasserkreislauf in Subduktionszonen einen großen Einfluss auf Vulkanismus und möglicherweise auch auf Erdbeben hat, haben aber erst wenig über die einzelnen Prozesse in diesem Kreislauf herausgefunden.“
Da dieser Wasserkreislaufs viele Kilometer unterhalb der Erdoberfläche stattfindet, lässt er sich nicht direkt beobachten. Selbst die tiefste Bohrung der Erde, die Kola-Bohrung in Russland, reichte nicht weiter als 12.262 Meter. Möglich wird die genauere Untersuchung der Reaktionen in größeren Tiefen der Subduktionszonen dadurch, dass Wissenschaftler die Bedingungen im Erdinneren im Labor nachstellen. In Experimenten bei hohen Temperaturen und hohem Druck können sie genau beobachten, wie sich die verschiedenen Mineralien verändern, die Kruste und Sedimente bilden.
Eines dieser Mineralien ist Kaolinit, ein aluminiumhaltiges Tonmineral, das vor allem in ozeanischen Sedimenten vorkommt. Jetzt konnten die Forscher eine neue „Phase“, also eine neue Struktur dieses Minerals beobachten, sogenanntes super-hydratiertes Kaolinit. Mit Röntgen- und Infrarotmessungen untersuchten sie eine Kaolinit-Probe unter Bedingungen, wie sie in verschiedenen Tiefen der Subduktionszonen vorherrschen.
Die neue Phase wurde bei einer Temperatur von 200 Grad Celsius und einem Druck von etwa 2,5 Giga-Pascal (GPa), also mehr als dem 25.000-Fachen des durchschnittlichen Atmosphärendrucks auf Meereshöhe, beobachtet. Solche Bedingungen liegen in Subduktionszonen in einer Tiefe von ungefähr 75 Kilometern vor. In der neuen Kaolinit-Phase sind Wassermoleküle zwischen den verschiedenen Schichten des Minerals eingelagert. Das super-hydratierte Kaolinit enthält mehr Wasser als jedes andere bekannte Aluminiumsilikat-Mineral im Erdmantel. Die beobachtete Strukturveränderung bildet sich zurück, wenn Druck und Temperatur wieder sinken.An der Extreme-Conditions-Messstation P02.2 an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III konnten die Wissenschaftler zusätzlich untersuchen, wie die Verbindung auch bei höherem Druck wieder zerfällt. „An unserer Messstation können Proben bei extremen Druck und sehr hohen Temperaturen genau untersucht werden. Mit einer sogenannten Diamantstempelzelle, die über eine spezielle Heizvorrichtung verfügt, konnten wir Veränderungen bei einem Druck von bis zu 19 Giga-Pascal und Temperaturen von bis zu 800 Grad beobachten“, sagt DESY-Forscher Hanns-Peter Liermann, Leiter der Messstation und Ko-Autor der Studie. Das super-hydratierte Kaolinit wandelte sich bei 5 Giga-Pascal und 500 Grad in andere Verbindungen um, zwei weitere Transformationen fanden bei noch extremeren Bedingungen statt. Bei der Entstehung der neuen Verbindungen wurde das Wasser, das vorher im Kaolinit eingeschlossen war, freigesetzt.
Die Beobachtung der Bildung und des Zerfalls des hydratierten Kaolinits liefert neue Informationen über Prozesse, die in einer Tiefe von bis zu 480 Kilometern in Subduktionszonen stattfinden. Die Freisetzung des Wassers beim Zerfall der neuen Phase könnte ein wichtiger Teil des tiefen Wasserzyklus in Erdkruste und Erdmantel sein, der Vulkanismus entlang der Subduktionszonen auslöst. Der Zerfall des Minerals findet wahrscheinlich unterhalb einer Tiefe von 200 Kilometern statt, das freigesetzte Wasser könnte dann zur Entstehung von Magma beitragen.
Darüber hinaus könnte das super-hydratierte Kaolinit die Erdbebenaktivität beeinflussen. Denn während der Entstehung der super-hydratierten Phase entzieht das Kaolinit der Umgebung das Wasser. Das könnte die Reibung zwischen der abtauchenden Platte und den darüber liegenden Schichten verändern. Die Wissenschaftler gehen außerdem davon aus, dass auch andere Mineralien im ozeanischen Sediment ähnliche Veränderungen durchlaufen. So könnte die Studie zum besseren Verständnis der geochemischen Prozesse im Erdinneren beitragen.
An der Untersuchung waren Forscher der Yonsei-Universität in Südkorea, des US-Beschleunigerzentrums SLAC, des Center for High Pressure Science & Technology Advanced Research in Shanghai, der George-Washington-Universität in den USA, des Lawrence Livermore National Laboratory in den USA, der Universität von South Carolina, der Carnegie Institution in Washington sowie von DESY beteiligt.
Originalveröffentlichung:
A role for subducted super-hydrated kaolinite in the Earth’s deep water cycle; Huijeong Hwang, Donghoon Seoung, Yongjae Lee, Zhenxian Liu, Hanns-Peter Liermann, Hyunchae Cynn, Thomas Vogt, Chi-Chang Kao und Ho-Kwang Mao; “Nature Geoscience”, 2017; DOI: 10.1038/s41561-017-0008-1