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DESY News: Laser-Bohrer ermöglicht Weltrekord bei Plasmabeschleunigung
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Laser-Bohrer ermöglicht Weltrekord bei Plasmabeschleunigung
Mit einem Laser-Plasmabohrer hat ein Forscherteam am Lawrence Berkeley National Laboratory in den USA einen neuen Rekord für Plasmabeschleuniger aufgestellt: In einer nur 20 Zentimeter langen Plasmakapillare beschleunigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Elektronen auf 7,8 Milliarden Elektronenvolt (Giga-Elektronenvolt, GeV) – ein Wert, für den die modernsten konventionellen Teilchenbeschleuniger mehrere hundert Meter benötigen. Das Team um den damaligen Leiter des Berkeley Lab Laser Accelerator (BELLA) Centers und heutigen DESY-Beschleunigerdirektor Wim Leemans stellt sein Konzept im Fachblatt „Physical Review Letters“ vor. Ein Plasma ist ein Gas, in dem den Molekülen ihre Elektronen entrissen wurden, so dass sich eine Mischung aus elektrisch positiv geladenen Gasmolekülen und elektrisch negativen Elektronen bildet.
„Die Entwicklung stabiler Plasmabeschleuniger mit einer Energie nahe zehn Giga-Elektronenvolt markiert einen Meilenstein auf dem Weg vom Labor zu ersten Anwendungen“, betont Leemans, der das Verfahren bei DESY weiterentwickeln wird. „Wir haben ein neues Konzept für den Werkzeugkasten der Plasmabeschleuniger-Forscher entwickelt. Und zusammen mit anderen Verfahren zur Kontrolle von Beschleunigung, Strahlstabilität und -qualität, die es bei DESY bereits gibt, wird dies kompakte Elektronenquellen möglich machen.“Teilchenbeschleuniger sind in vielen Bereichen unverzichtbare Werkzeuge, von der Forschung über die Industrie bis zur Medizin. Konventionelle Teilchenbeschleuniger nutzen Radiowellen, um Pakete elektrisch geladener Teilchen, wie zum Beispiel Elektronen, schneller und schneller voranzutreiben. Die heute hochentwickelte Technik erzeugt Teilchenstrahlen hoher Qualität mit fast jeder gewünschten Eigenschaft. Je höher die Teilchenenergie sein soll, desto größer und teurer werden allerdings die Anlagen.
Die zurzeit noch experimentelle Laser-Plasmabeschleunigung verfolgt ein komplett anderes Konzept: Bei ihr pflügt ein kurzer, extrem heller Laserpuls durch ein Plasma. Wie ein Schnellboot auf einem See erzeugt der Laserpuls kräftige Heckwellen in seiner Bahn. Auf diesen Plasmawellen können die Elektronen surfen wie ein Wakeboard-Surfer auf der Heckwelle des Schnellboots. Plasmawellen können Teilchen viele hundert Male stärker beschleunigen als konventionelle Beschleuniger. Auch wenn bei der jungen Technik noch zahlreiche Herausforderungen gemeistert werden müssen, verspricht sie günstigere und vor allem drastisch kleinere Teilchenbeschleuniger sowie neue Anwendungen.
Je kräftiger der Laserpuls ist, desto stärker ist die Beschleunigung im Plasma. Das BELLA-Team schoss unvorstellbar starke und kurze Infrarot-Laserpulse mit einer Spitzenleistung von 850 Billionen Watt (850 Terawatt) und einer Dauer von nur 35 billiardstel Sekunden (35 Femtosekunden) in eine 0,8 Millimeter breite Saphir-Röhre voll Wasserstoffgas. Die Spitzenleistung des Lasers entspricht umgerechnet 8,5 Billionen 100-Watt-Glühbirnen, die allerdings nur ein paar Dutzend Femtosekunden angeschaltet wären.
„Lediglich große Plasmawellen zu erzeugen, war nicht ausreichend“, sagt Hauptautor Anthony Gonsalves vom Berkeley Lab. „Wir mussten diese Wellen auch über die gesamte Länge der 20-Zentimeter-Röhre erzeugen, um Elektronen zu solch hohen Energien zu beschleunigen.“ Um das zu erreichen, ist ein Plasmakanal nötig, der den extremen Laserpuls einschließt wie ein Glasfaserkabel einen Lichtpuls. Im Gegensatz zur Glasfaser kann ein ausreichend tiefer Plasmakanal jedoch der Energie des Laserpulses standhalten.Für einen solchen Plasmakanal muss das Plasma im Zentrum der Kapillare eine geringere Dichte haben als außen. In einem früheren, ebenfalls von Leemans geleiteten BELLA-Experiment, das den vorigen Plasmabeschleunigungsrekord von 4,25 GeV aufgestellt hatte, erzeugten die Forscher den Plasmakanal mit einer elektrischen Entladung. Um zu höheren Beschleunigungsenergien zu kommen, musste der Kanal jedoch noch tiefer in das Plasma gefräst werden, also im Zentrum eine noch geringere Dichte besitzen als mit der Entladungstechnik möglich.
Die Lösung dieses Problems lieferte eine Technik, die bereits in den 1990er Jahren vorgeschlagen worden war: Das Aufheizen von Plasma per Laser. Leemans realisierte, dass ein solcher Laser sich mit der Entladungstechnik kombinieren lässt. Wenn der Laser direkt nach der Entladung durch das Plasma schießt, kann er den Kanal tief genug bohren, so dass er danach den eigentlichen Beschleuniger-Laserpuls gut einschließen kann.
Versuche und Modellrechnungen, unter anderem durch Leemans' Studenten Joost Daniels und Chris Pieronek, die auch Ko-Autoren der Studie sind, lieferten schließlich die optimalen Parameter für den Laser-Bohrer. Der Laser muss sich demnach genau 420 milliardstel Sekunden (420 Nanosekunden) nach der Entladung für 8 milliardstel Sekunden durch das Plasma bohren, um den optimalen Kanal für den Beschleuniger-Laserpuls zu formen.
Tatsächlich führte diese Kombinationstechnik zu einem stark verbesserten Einschluss des Beschleunigungslasers in dem Kanal, wodurch Fokus und Intensität des Pulses über die komplette Länge der Plasmaröhre erhalten blieben. Auch der Durchmesser des Laserpulses auf seinem Weg durch den Plasmakanal blieb konstant bei wenigen tausendstel Millimetern. Der tiefere Plasmakanal ermöglichte so die Nutzung einer längeren Plasmakapillare. Der vorige Beschleunigungsrekord von 4,25 GeV war mit einem neun Zentimeter langen Plasmakapillare gelungen. Mit einer 20 Zentimeter langen Plasmakapillare ließ sich die Teilchenenergie nun auf 7,8 GeV erhöhen.
Zur Entwicklung der Kombi-Technik haben verschiedene numerische Methoden und Computerprogramme beigetragen, die speziell zu diesem Zweck entwickelt worden waren. Die Forscher des Berkeley Labs arbeiteten dafür mit Kolleginnen und Kollegen des Keldysh-Instituts für Angewandte Mathematik in Russland und mit dem europäischen ELI-Beamlines-Projekt in Tschechien zusammen. „Diese Computerprogramme haben uns geholfen, schnell zu erkennen, wodurch der größte Unterschied zustande kommt, welche Maßnahmen zu einer guten Pulsführung und Beschleunigung führen“, erläutert Carlo Benedetti vom Berkeley Lab, Entwicklungsleiter eines Programmes und ebenfalls Ko-Autor der Studie. Nachdem sich zeigen ließ, dass die numerischen Vorhersagen mit den Daten der Experimente übereinstimmten, erleichterten sie auch die Interpretation der Experimente. „Jetzt haben wir einen Punkt erreicht, wo die Simulationen uns führen können und uns sagen, wie es weitergeht“, sagt Gonsalves.
„Das jetzt in 'Physical Review Letters' veröffentlichte Resultat aus Berkeley stellt einen Meilenstein für Laser-Plasmabeschleuniger dar“, kommentiert Ralph Aßmann, Leitender Wissenschaftler für Beschleunigerforschung bei DESY, der nicht an der Studie beteiligt ist. „Hier wird nicht nur ein neuer Energierekord gezeigt, sondern es wurde eine innovative Methode entwickelt, mit der eine mittlere Beschleunigungsspannung von 40 Milliarden Volt pro Meter über eine Strecke von 20 Zentimeter robust erzeugt wurde. Diese neue Technologie eröffnet ganz neue Möglichkeiten, auch für unsere Arbeit bei DESY.“
Leemans erwartet, dass sich mit weiterer Optimierung die Energie der neuen Plasmabeschleunigungstechnik auf zehn Gigaelektronenvolt und darüber hinaus steigern lässt und in Kombination mit bei DESY erforschten Methoden den Beschleuniger stabilisieren und die Strahlqualität verbessern können. Zwar können Plasmabeschleuniger nicht so viele Teilchen auf einmal beschleunigen (also nicht so hohe Strahlladungen) wie konventionelle Beschleuniger, aber sie können neue, bislang nicht machbare Anwendungen wie etwa einen miniaturisierten Röntgenlaser ermöglichen. „Unsere Methode ist ein großer Schritt nach vorn zu künftigen kompakten Forschungslichtquellen“, betont Leemans. „Die Zeit ist reif, um die Laser-Plasmabeschleunigung aus dem Labor zur Anwendung zu führen.“
Originalveröffentlichung:
Petawatt Laser Guiding and Electron Beam Acceleration to 8 Gev in a Laser-Heated Capillary Discharge Waveguide; A. J. Gonsalves, K. Nakamura, J. Daniels, C. Benedetti, C. Pieronek, T. C. H. de Raadt, S. Steinke, J. H. Bin, S. S. Bulanov, J. van Tilborg, C. G. R. Geddes, C. B. Schroeder, Cs. Tóth, E. Esarey, K. Swanson, L. Fan-Chiang, G. Bagdasarov, N. Bobrova, V. Gasilov, G. Korn, P. Sasorov, and W. P. Leemans; „Physical Review Letters“, 2019, DOI: 10.1103/PhysRevLett.122.084801
Pressemitteilung des Lawrence Berkeley National Laboratory (englisch)