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DESY News: PETRA III liefert neue Einsichten in Covid-19-Lungengewebe
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PETRA III liefert neue Einsichten in Covid-19-Lungengewebe
Röntgenphysikerinnen und -physiker der Universität Göttingen haben zusammen mit Pathologen und Lungenspezialisten der Medizinischen Hochschule Hannover ein neues Bildgebungsverfahren entwickelt, mit dem geschädigtes Lungengewebe nach Erkrankung an Covid-19 hochaufgelöst und dreidimensional dargestellt werden kann. Dafür haben sie eine besondere Röntgenmikroskopietechnik an DESYs Forschungslichtquelle PETRA III eingesetzt, um die durch das Virus hervorgerufenen Veränderungen der Lungenbläschen, der so genannten Alveolen, und der Blutgefäße darzustellen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift „eLife“ erschienen.
![](https://www.desy.de/e409/e116959/e119238/media/8597/Fig1_hyaline_thumbnail_thumbnail.jpg)
Schnitte durch das dreidimensionale Rekonstruktionsvolumen (links oben, grau) um ein Lungenbläschen mit Hyalinmembran (links unten, gelb), rechts eine Überblendung. Im Zentrum befindet sich das Luftbläschen (Alveole). Die Elektronendichte ist durch unterschiedliche Grautöne dargestellt. An der Innenseite des Luftbläschens schlägt sich eine Schicht aus Proteinen und abgestorbenen Zellenresten nieder, die sogenannte Hyalinmembran. Diese Ablagerung, die durch das neue Verfahren erstmals in ihrer dreidimensionalen Struktur dargestellt werden kann, reduziert den Gasaustausch und führt zu Atemnot. Bild: Univrsität Göttingen, M. Eckermann/T. Salditt
„Die in Wachs eingebetteten Lungengewebeproben konnten vor einer Detail-Untersuchung auch großräumig durchstrahlt werden, um besonders interessante Bereiche um Entzündungen, Blutgefäße oder Bronchien herum zu lokalisieren“, sagt der leitende Autor Tim Salditt von Institut für Röntgenphysik der Universität Göttingen. Da die Röntgenstrahlung tief genug eindringt, kann die Brücke von der makroskopischen zur mikroskopischen Struktur geschlagen werden. Die räumliche Anordnung von Blutgefäßen bis hinunter zu den kleinsten Kapillaren kann damit für die Pathologen sichtbar gemacht werden.
Die Autoren sprechen von einer virtuellen dreidimensionalen Histologie. Die Histologie als die Lehre des Aufbaus von Geweben und die Histopathologie als Lehre der krankheitsbedingten Veränderungen entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Mikroskopie rasante Fortschritte gemacht hatte. Noch heute nutzt man in der Pathologie die damals entwickelten Grundtechniken der Gewebefixierung, der Anfertigung von Dünnschnitt-Präparaten, die Anfärbungen und schließlich die Betrachtung im Mikroskop. Die klassische Technik ist aber nicht mehr ausreichend, wenn man vollständige dreidimensionale Darstellungen braucht, die man mit Computerprogrammen durchsuchen und analysieren will.
Dreidimensionale Bildgebung kennt man aus der herkömmlichen Computer-Tomographie (CT). Bei der in dieser Arbeit verwendeten Phasenkontrast-Methode entsteht das Bild aber nicht wie bei der klassischen CT durch unterschiedliche Abschwächung der Röntgenstrahlung im Gewebe, sondern durch winzige Laufzeitunterschiede der Röntgenwelle und den daraus resultierenden Verschiebungen der Wellenfront. Durch Ausbreitung der Röntgenwelle zwischen Probe und Detektor entsteht ein wellenartiges Muster, aus dem dann allerdings erst noch ein scharfes Bild errechnet werden muss.
Salditt und seine Arbeitsgruppe haben nun speziellen Algorithmen und Beleuchtungsoptiken entwickelt, mit denen sich die Gewebestruktur scharf und dreidimensional darstellen lässt. Dabei kann die Vergrößerung stufenlos eingestellt werden und auch millimeter- oder zentimetergroße Gewebeproben lassen sich ohne Schnitte oder Anfärbung darstellen. Je nach Einstellung, können damit auch Strukturen sichtbar gemacht werden, die mit herkömmlicher Lichtmikroskopie nicht mehr aufgelöst werden können. Um dies zu erreichen, nutzt das Göttinger Team die hochbrillante Röntgenstrahlung von DESYs Speicherring PETRAIII an der Messstation P10.
Wie schon von 150 Jahren nach Erfindung des modernen Mikroskops ergibt sich ein wesentlicher Fortschritt aus der Verbindung physikalischer und medizinischer Forschung. Das interdisziplinäre Forschungsteam hofft, dass mit der neuen Methode die Entwicklung von Behandlungsmethoden und Wirkstoffen unterstützt werden kann, um schwere Lungenschäden bei Covid-19 zu verhindern, zu lindern oder die Regeneration zu fördern. „Erst wenn man sieht, was passiert, kann man Mittel und Eingriff zielgerichtet entwickeln“, betont Danny Jonigk von der Medizinischen Hochschule Hannover, der den medizinischen Teil der Studie geleitet hat.
Originalveröffentlichung:
3d Virtual Patho-Histology of Lung Tissue from Covid-19 Patients based on Phase Contrast X-ray Tomography; M . Eckermann, J.Frohn, M. Reichardt, M. Osterhoff, M. Sprung, F. Westermeier, A. Tzankov, C. Werlein, M. Kühnel, D. Jonigk, T. Salditt et al.; „eLife“, 2020; DOI: 10.7554/eLife.60408