DESY News: Die Vermessung der Welle

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25.11.2020
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Die Vermessung der Welle

Neue Messmethode zeigt Beschleunigungsfeld im Plasmabeschleuniger in unerreichter Genauigkeit

Die Technik der Plasma-basierten Teilchenbeschleunigung verspricht eine neue Generation leistungsfähiger und kompakter Beschleuniger. Vor dem Schritt in die Anwendung muss die neue Technologie jedoch noch verschiedene Hürden nehmen und insbesondere eine präzise Kontrolle über den Beschleunigungsprozess erlangen. Mit einer innovativen Messmethode haben Forscherinnen und Forscher bei DESY jetzt die beschleunigende Plasmawelle mit zuvor unerreichter Genauigkeit vermessen. Das Verfahren, das den Verlauf des effektiven Beschleunigungsfelds mit einer Zeitauflösung auf der Skala von Femtosekunden (milliardstel millionstel Sekunden) erfassen kann, ermöglicht eine genaue Untersuchung des Beschleunigungsprozesses und ebnet damit den Weg zu einem kontrollierten und optimierten Betrieb künftiger Plasmabeschleuniger, wie das Team um DESY-Forscher Jens Osterhoff im Fachblatt „Nature Communications“ erläutert.

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Ein Elektronenpaket mit variierender Energie (dunkelblau bis orange) treibt eine Plasmawelle (weiß) mit starken elektrischen Feldern (rot und blau). Das kontrollierte Kürzen des Elektronenpakets von hinten erlaubt die präzise Vermessung der elektrischen Felder. Bild: DESY, Ángel Ferran Pousa
Als Plasma wird ein Gas bezeichnet, bei dem die Gasmoleküle von ihren Elektronen getrennt wurden. Diese frei beweglichen Plasmaelektronen können durch die Wechselwirkung mit einem energiereichen Laser- oder Teilchenstrahl zu einer Oszillation gezwungen werden, was zu starken elektrischen Feldern führt. Diese lassen sich wiederum zur Beschleunigung nutzen. Die DESY-Anlage FLASHForward schießt hierfür Elektronenpakete mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in ein Plasma. „Hinter dem Elektronenpaket bildet sich eine Heckwelle aus Plasmaelektronen, auf der ein anderes Elektronenpaket surfen kann und infolge dessen beschleunigt wird: wie ein Wakeboarder auf der Heckwelle eines Boots“, erläutert Osterhoff. „Daher wird diese Technik auch PlasmaWakefield-Beschleunigung genannt.“

Die Beschleunigung auf der Plasmawelle kann bis zu tausendmal stärker sein als in den stärksten konventionellen Anlagen, die heute in Betrieb sind. „Um eine optimale Beschleunigung zu erreichen, müssen die Elektronenpakete und die Welle genau abgestimmt sein“, erläutert die Hauptautorin der Veröffentlichung, Sarah Schröder von DESY und der Universität Hamburg. „Dazu muss man die Form der Welle präzise vermessen können, was auf Grund der geringen Größe der Welle von wenigen tausendstel Millimetern sehr anspruchsvoll ist.“

Das Team entwickelte daher eine Methode, mit der sich die Form des Beschleunigungsfelds der Plasmawelle von den beschleunigten Elektronen selbst ablesen lässt. Dazu wird das Elektronenpaket in einer Anordnung von Magneten quer zur Flugrichtung gedreht, sodass sich durch das Einfahren eines Metallstücks sukzessive von hinten Stücke abschneiden lassen. Anschließend wird das Paket wieder zurückgedreht.

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Blick auf des Beschleunigermodul von FLASHForward. Das Plasma wird in dem schmalen Kanal im Zentrum durch eine Hochspannung erzeugt. Bild: DESY, Alexander Knetsch
Durch die fehlenden Elektronen verändert sich das Energiespektrum des Elektronenpakets. Das erlaubt einen Rückschluss auf die Stärke des Beschleunigungsfelds am Ort des herausgeschnittenen Paketanteils. Ist das Schneiden des Pakets fein genug eingestellt, lässt sich damit das Profil des effektiven Beschleunigungsfeldes in der Plasmawelle mit einer zeitlichen Auflösung von Femtosekunden bestimmen. Im Experiment konnte das Team eine zeitliche Auflösung von 15 Femtosekunden erreichen – das entspricht einer Ortsauflösung von rund 5 tausendstel Millimetern in der Welle. Die Forscherinnen und Forscher halten eine noch feinere Auflösung für möglich.

„Wir haben zum ersten Mal das für die Beschleunigung zuständige Feld präzise vermessen“, betont Schröder. „Mit dieser Messmethode lässt sich nun das Zusammenspiel der einzelnen experimentellen Komponenten und des Beschleunigungsprozesses im Detail untersuchen.“

Von der neuen Technik können auch andere experimentelle Anlagen zur Plasmabeschleunigung profitieren. „Unsere Methode ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die Plasmawelle wirklich im Detail zu verstehen und zu optimieren“, erläutert Osterhoff.

„Dieses Experiment zeigt die extrem hohe Präzision, die bei der Messung des Beschleunigungsfelds erreicht werden kann, und läutet eine neue Phase unerreichter Kontrolle und Stabilität der Plasma-basierten Beschleunigung ein“, ergänzt der Direktor des DESY-Beschleunigerbereichs, Wim Leemans.

 

Originalveröffentichung:
High-resolution sampling of beam-driven plasma wakefields; S. Schröder, C.A. Lindstrøm, S. Bohlen, G. Boyle, R. D’Arcy, S. Diederichs, M.J. Garland, P. Gonzalez, A. Knetsch, V. Libov, P. Niknejadi, K. Põder, L. Schaper, B. Schmidt, B. Sheeran, G. Tauscher, S. Wesch, J. Zemella, M. Zeng, and J. Osterhoff; „Nature Communications“, 2020; DOI: 10.1038/s41467-020-19811-9