DESY News: Schnelle Lernkurve: Künstliche Intelligenz optimiert die Steuerung eines Plasmabeschleunigers

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11.12.2020
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Schnelle Lernkurve: Künstliche Intelligenz optimiert die Steuerung eines Plasmabeschleunigers

KI zum Betrieb von Beschleunigern der nächsten Generation schafft das Potenzial für Anwendungen in Forschung, Medizin und Industrie

Ein internationales Team von Beschleunigerexperten unter Beteiligung von DESY-Forschern hat erfolgreich nachgewiesen, dass ein intelligenter Steuerungsalgorithmus die komplexen Parameter zum Betrieb von Plasmabeschleunigern abstimmen und optimieren konnte. Der Algorithmus konnte den Beschleuniger der nächsten Generation wesentlich schneller optimieren als ein menschlicher Operateur. Die Experimente wurden unter Leitung des Imperial College London an der Central Laser Facility des STFC Rutherford Appleton Laboratory (Großbritannien) durchgeführt. Die Ergebnisse hat das Forscherteam heute im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

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In der Plasmazelle (Bildmitte) werden die Elektronen beschleunigt. Ein von rechts kommender Laserstrahl zündet das Plasma in der Zelle (Bild: Imperial College).
Die Technologie der plasmabasierten Beschleunigung hat das Potenzial für eine neue Generation von Beschleunigern, die leistungsfähiger, kompakter und vielseitiger einsetzbar sind als die heutzutage verfügbaren. Die beschleunigten Elektronen oder von ihnen erzeugte Röntgenstrahlen können für wissenschaftliche Zwecke, z.B. zur Untersuchung der atomaren Struktur von Materialien, in industriellen Anwendungen, z.B. bei der Herstellung von Unterhaltungselektronik oder Autoreifen, als auch in medizinischen Anwendungen, z.B. in der Krebstherapie und der medizinischen Bildgebung, eingesetzt werden.

Um die neue Technologie für diese große Vielfalt an Anwendungen vorzubereiten, muss jedoch der Beschleunigungsprozesses selbst sehr präzise und zuverlässig gesteuert werden können. Künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen ist einer der vielversprechendsten Ansätze zur Bedienung solcher komplexen Maschinen. Rob Shalloo (DESY), bis vor kurzem Forscher am Imperial College und Erstautor der aktuellen Studie, sagt: „Damit sich Plasmabeschleuniger in wissenschaftlichen, industriellen oder medizinischen Anwendungen durchsetzen können, müssen wir sie von einem Forschungsprojekt zu so etwas wie einem Plug-and-Play-Gerät entwickeln. Das ist für eine so komplexe Anlage wie einen Teilchenbeschleuniger, der unter extremen Bedingungen arbeitet, eine echte Herausforderung. Aber mit Hilfe von Machine Learning haben wir einen Ansatz gefunden, um das zu ermöglichen. Die Techniken, die wir entwickelt haben, werden entscheidend dazu beitragen, das Maximum aus dieser neuen Generation von Plasmabeschleunigeranlagen herauszuholen.“

Das Team arbeitete mit sogenannten Laser-Wakefield-Beschleunigern. Diese kombinieren einen leistungsstarken Laser und ein Plasma, ein stark ionisiertes Gas, um auf kürzester Distanz intensive Elektronen- oder Röntgenstrahlen zu erzeugen. Herkömmliche Beschleuniger benötigen Hunderte von Metern oder gar Kilometer, um Elektronen zu beschleunigen; Wakefield-Beschleuniger hingegen können die gleiche Beschleunigung innerhalb von Zentimetern erreichen, was die Größe und Kosten solcher Anlagen drastisch reduziert.

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Blick auf einen Fluoreszenzbildschirm. Mit seiner Hilfe kann die Energie der fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Elektronen vermessen werden (Foto: Imperial College).
Da Wakefield-Beschleuniger jedoch unter den extremen Bedingungen arbeiten, die entstehen, wenn Laser und Plasma kombiniert werden, kann es schwierig sein, sie so zu steuern und zu optimieren, dass sie ihre volle Leistung ausschöpfen. Bei der Wakefield-Beschleunigung wird ein ultrakurzer Laserpuls in das Plasma geschossen und erzeugt eine Welle in der Plasmaelektronendichte, die zur Beschleunigung von Elektronen genutzt wird. Sowohl der Laser als auch das Plasma verfügen über mehrere Parameter, die zur Steuerung der Wechselwirkung optimiert werden können, beispielsweise die Form und Intensität des Laserpulses oder die Dichte und Länge des Plasmas.

Ein menschlicher Operateur kann diese Parameter zwar verändern, ist aber in der Regel damit überfordert, so viele Parameter gleichzeitig zu optimieren. Daher setzte das Team auf künstliche Intelligenz und entwickelte einen Algorithmus für maschinelles Lernen, um die Leistung des Beschleunigers zur Spitze zu treiben.

Der Algorithmus stellte bis zu sechs Parameter zur Steuerung des Lasers und des Plasmas ein, zündete den Laser, analysierte die Daten und stellte die Parameter neu ein, wobei diese Schleife viele Male nacheinander ausgeführt wurde, bis die optimale Parameterkonfiguration erreicht war.

Die während des Optimierungsprozesses gesammelten Daten lieferten auch neue Einblicke in die Dynamik der Laser-Plasma-Wechselwirkung innerhalb des Beschleunigers, die möglicherweise für zukünftige Konzepte zur weiteren Verbesserung der Beschleunigerleistung von Bedeutung sind.

Der leitende Forscher Matthew Streeter, der die Arbeiten am Imperial College abgeschlossen hat, vorher schon bei DESY forschte und jetzt an der Queen's University in Belfast tätig ist, sagt: „Unsere Arbeit resultierte in einem autonomen Plasmabeschleuniger, dem ersten seiner Art. Das ermöglicht uns nicht nur eine effiziente Optimierung des Beschleunigers, sondern vereinfacht auch dessen Betrieb und erlaubt es uns, einen größeren Teil unserer Arbeit auf die Erforschung der grundlegenden Physik hinter diesen extremen Maschinen zu verwenden.“

„Der Computer war in der Lage, den Plasmabeschleuniger innerhalb von Minuten von Grund auf zuverlässig zu optimieren; das ist durch ’menschliches Lernen‘ nur schwer zu erreichen, selbst für erfahrene Operateure“, sagt Jens Osterhoff, Leiter der Forschung an Plasmabeschleunigern bei DESY. „Dies sind sehr vielversprechende erste Schritte zur Anwendung der KI im Beschleunigerbetrieb, und ich bin sicher, dass kaum ein zukünftiger Beschleuniger ohne maschinelles Lernen auskommt.“

Ähnliche Experimente am LUX-Beschleuniger, einem Gemeinschaftsprojekt von DESY und der Universität Hamburg, stützen die Hypothese, dass die Anwendung der KI zur Steuerung von Beschleunigern gerade auf ein neues Niveau gehoben wird (S. Jalas et al., zur Veröffentlichung eingereicht). „Mit dem Einsatz der KI und des maschinellen Lernens an der heutigen und der nächsten Generation von Teilchenbeschleunigern bei DESY und anderswo erwarten wir ein noch nie dagewesenes Leistungsniveau; das ist wirklich spannend!“, schließt Wim Leemans, Direktor des Beschleunigerbereichs bei DESY.

Das Experiment wurde von einem Forscherteam aus dem Imperial College London, der Central Laser Facility, dem York Plasma Institute, der University of Michigan, der University of Oxford und DESY durchgeführt.

 

Originalveröffentlichung

‘Automation and control of laser wakefield accelerators using Bayesian optimisation’; R.J. Shalloo et al.; Nature Communications; DOI: 10.1038/s41467-020-20245-6