Ein neues Forschungsprojekt soll Leitlinien für die wissenschaftliche Kooperation mit China erarbeiten und damit dringend benötigte Hilfestellung bieten. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt WIKOOP-INFRA konzentriert sich dabei besonders auf die Zusammenarbeit an sogenannten großen Forschungsinfrastrukturen wie komplexen Teilchenbeschleunigern und modernen Röntgen-, Laser- und Neutronenquellen in China und Europa. Das Verbundprojekt von DESY und dem German Institute for Global and Area Studies GIGA hat im September begonnen und ist auf zwei Jahre ausgelegt.

Die steigenden chinesischen Investitionen in Infrastrukturen der Grundlagenforschung sind für die internationale Forschergemeinde hochattraktiv, und gleichzeitig signalisiert China verstärkt Interesse an internationalen Kooperationen und Beteiligungen an neuen und zukünftigen europäischen Großgeräten. „Die Rahmenbedingungen für solche Kooperationen sind jedoch alles andere als einfach“, erläutert der Leiter „Internationale Kooperationen“ bei DESY, Martin Sandhop. „Wir sehen uns gegenwärtig konfrontiert mit Sorgen über die Verletzung von Patent- und Urheberrechten, über einseitigen Technologietransfer, über wissenschaftliches Fehlverhalten und mangelnden Zugang zu wichtigen Forschungsinfrastrukturen und -daten.“ Auch gebe es in den vergangenen Jahren vermehrt Berichte über einen gestiegenen politischen Einfluss auf die Wissenschaft in China und eine zunehmende Verschmelzung militärischer und ziviler Forschung. Der Wettbewerb zwischen den USA und China um die Technologieführerschaft trage ebenfalls zu Spannungen bei.

Bei allen Schwierigkeiten zeigen aktuelle globale Herausforderungen wie die Corona-Pandemie und der Klimawandel jedoch, dass die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China für Deutschland und viele EU-Länder wichtiger ist denn je. „Es muss uns ein Anliegen sein, unsere Kooperation mit China zu verstetigen und weiter auszubauen. Dabei dürfen wir selbstverständlich nicht die kontroversen und sicherheitsrelevanten Aspekte der Kooperation unberücksichtigt lassen“, sagt Sandhop. Bislang gibt es aber gerade für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie für Forschungseinrichtungen keine systematischen Hilfestellungen zur Bewertung der Kooperationsmöglichkeiten und Empfehlungen zum Umgang mit den genannten sensiblen Fragen.

Im Projekt WIKOOP-INFRA (Handlungs- und Orientierungssicherheit in wissenschaftlichen Kooperationen mit China – Untersuchungen an analytischen Forschungsinfrastrukturen) sollen deshalb evidenzbasierte Leitlinien erarbeiten werden, die internationalen Akteuren insbesondere aus Deutschland und der EU mehr Orientierungsfähigkeit und Handlungssicherheit bei sensiblen Themen in der Kooperation mit China in der Großgeräteforschung bieten. Hierfür sind Interviews und Fach-Workshops mit Verantwortlichen, Forscherinnen und Forschern sowie Expertinnen und Experten aus der deutschen oder europäischen sowie chinesischen Wissenschaftslandschaft geplant.

DESYs Verbundpartner GIGA ist ein in Hamburg ansässiges sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft, das zu politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Nahost forscht. Am Institut für Asien-Studien, eines der vier Teilinstitute des GIGA, wird der Aufstieg Chinas zur Forschungs- und Wissenschaftsnation und der Vergleich des chinesischen mit westlichen Innovationssystemen schon seit vielen Jahren als wichtiges Forschungsthema behandelt. Darüber hinaus profitiert das Projekt von der Unterstützung der Helmholtz-Gemeinschaft mit ihrer Außenstelle in Peking sowie von der Kooperation mit dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, dessen Forschungsschwerpunkt auf friedens- und sicherheitspolitischen Fragestellungen liegt. „Wir freuen uns sehr, dass sich mit Margot Schüller vom GIGA und Götz Neuneck vom IFSH zwei ausgewiesene Fachleute auf ihren jeweiligen Gebieten an WIKOOP-INFRA beteiligen“, betont DESY-Projektkoordinator Marcus Conlé.