DESY News: Gift im Boden

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11.07.2022
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Gift im Boden

Waldbrände können harmloses in gefährliches Chrom umwandeln

Wenn es heiß wird, können sich harmlose Chromverbindungen zu giftigen Zeitbomben wandeln. Das hat ein Forschungsteam der Universität Bari "Aldo Moro", des Polytechnikums von Bari in Italien und von DESY mit Hilfe von DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III herausgefunden. Das Ergebnis ist im Fachmagazin „Journal of Hazardous Materials“ veröffentlicht. 

Verbrennung von Baumschnittresten auf landwirtschaftlichen Böden in Süditalien. Bild: Universität Bari
Chrom kommt fast überall vor. Die häufigen Verbindungen mit dreiwertigem Chrom III sind selbst in recht hohen Konzentrationen in der Umwelt meist unschädlich. Einige Chromverbindungen sind jedoch für Menschen und Tiere hochgiftig und können Krebs verursachen – zum Beispiel solche mit sechswertigem Chrom VI, bei denen also jedes Chromatom sechs Elektronen an seine Bindungspartner abgegeben hat. Studierende der Chemie kennen beide gut: Sie werden gern für Spektroskopieversuche benutzt, weil die Unterschiede zwischen den Spektren sehr deutlich zu sehen sind.

Im Gegensatz zu seinem harmlosen Bruder sind Chrom-VI-Verbindungen wie Kalziumchromat wasserlöslich und mobil, so dass sechswertiges Chrom leichter von Pflanzen aufgenommen werden und so in die Nahrungskette gelangen kann. Der Übergang von harmlosem zu gefährlichem Chrom kann unter Hitzeeinwirkung stattfinden, haben die Forschenden herausgefunden – je heißer, desto gefährlicher ist das Chrom. Aber auch kleine landwirtschaftliche Waldbrände oder kontrollierte Feuer, die in der Landwirtschaft durchaus üblich sind, zum Beispiel das Abbrennen von Stoppelfeldern oder Baumschnittresten, können Chrom so weit oxidieren, dass Chrom-VI-Verbindungen entstehen. Unter ungünstigen Bedingungen könnte die giftige Version in die Nahrungskette gelangen, wenn sie von Pflanzen – zum Beispiel Weizen – aufgenommen wird, die dann für den Menschen verarbeitet werden.

Dies ist vor allem ein Problem in Italien, wo es noch viele aktive Gerbereien für die Lederindustrie gibt, deren chromhaltige Abfälle als Grundlage für Kompost oder Düngemittel verwendet wurden. Unter normalen Umständen stellt dies keine Gefahr für die Natur dar. Wenn diese organischen Zusätze jedoch bei der Verbrennung von Stoppelfeldern oder bei einem Flächenbrand im Boden vorhanden sind, kann Chrom VI entstehen. 

Für die Untersuchung hatte Ignazio Allegretta von der Universität Bari Bodenproben aus Italien mitgebracht. An den Proben wurden Brände mit Temperaturen von 300, 400 und 500 Grad Celsius simuliert, deren Produkte dann mit konventionellen chemischen Methoden und zum Teil an der Messstation P06 von PETRA III detailliert untersucht wurden. „Wir haben unsere Studie unter Bedingungen durchgeführt, die in einem landwirtschaftlich genutzten Boden auftreten können, während sich die meisten anderen Studien auf extremere Bedingungen beziehen, wie sie bei Waldbränden vorkommen können“, sagt Forschungsleiter Roberto Terzano von der Universität Bari. „Dies könnte bedeutende Auswirkungen auf die Sicherheit der Lebensmittelkette haben.“

Dank der hohen räumlichen Auflösung lässt sich an PETRA III die chemische Zusammensetzung einer Probe mit einer Genauigkeit von einem Mikrometer (tausendstel Millimeter) erkennen. „Wir können viel kleinere Partikel und kleinere Konzentrationen analysieren, als dies bei herkömmlichen chemischen Untersuchungen möglich ist“, erklärt DESY-Wissenschaftler Gerald Falkenberg, Leiter der Messstation P06 und Ko-Autor der Studie. „Zum Beispiel konnten wir auch sehen, wo genau sich Chrom VI gebildet hat und welche Elemente in der Nähe vorhanden sind.“

Anhand der Bodenproben konnte das Team zeigen, dass sich Chrom VI zwar nur sehr lokal gebildet hat, dass aber die Verwendung von organischen Materialien mit hohen Konzentrationen potenziell toxischer Elemente zur Düngung in der Landwirtschaft zu Umweltverschmutzungen führen kann, wenn Brände auf diese Böden einwirken. „Es muss noch weiter untersucht werden, wie groß die Relevanz dieser Phänomene ist und ob sie wirklich ein Risiko darstellen. Aber unsere ersten Erkenntnisse zeigen, dass die potenziellen Risiken nicht unterschätzt werden sollten, und dass Brände heutzutage in Risikobewertungsstudien berücksichtigt werden sollten“, erklärt Terzano. 

 

Originalveröffentlichung:
Evidence of hexavalent chromium formation and changes of Cr speciation after laboratory-simulated fires of composted tannery sludges long-term amended agricultural soils; Ida Rascio, Ignazio Allegretta, Concetta Eliana Gattullo, Carlo Porfido, Gian Paolo Suranna, Roberto Grisorio, Kathryn M. Spiers, Gerald Falkenberg, Roberto Terzano; „Journal of Hazardous Materials“, 2022; DOI: 10.1016/j.jhazmat.2022.129117