DESY News: Rekord: DESY-Team misst elektronisches Rauschen besser als je zuvor

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02.09.2022
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Rekord: DESY-Team misst elektronisches Rauschen besser als je zuvor

Messverfahren könnte den Test von elektronischen Bauteilen wesentlich verbessern

Einem Team von DESY-Forschenden ist es erstmals gelungen, sogenanntes Phasenrauschen 500-mal genauer zu messen, als das bisher in diesem Frequenzbereich technisch möglich war. Dies könnte künftige technologische Durchbrüche bei Anwendungen in der Medizin, Telekommunikation und Beschleunigertechnologie ermöglichen. Die Gruppe entwickelte für ihre Experimente einen Detektor-Prototypen, mit dem man verschiedene Hochfrequenzbauteile auf Rauschen untersuchen kann. Der Prototypen-Aufbau, dessen Messgenauigkeit an ein physikalisches Limit stößt, könnte die Grundlage für die Entwicklung besserer Messinstrumente sein.

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Louise Springer und Uroš Mavrič aus der DESY-Arbeitsgruppe Beschleuniger Strahlkontrolle vor ihrem Prototyp zum Test elektronischer Bauteile. Foto: DESY, Marta Mayer
Ohne Hochfrequenztechnik wäre die heutige Welt undenkbar: Beim Telefonieren mit dem Handy, bei der Navigation im Auto, beim Sondieren mit dem Radar im Flugzeug oder auf dem Schiff, oder alltäglich im Computer – überall sorgen Schwingungen mit kurzen Wellenlängen und hohen Frequenzen dafür, dass Informationen von einem Ort zum anderen übertragen oder verarbeitet werden. Und die Dichte der übertragenen Informationen wächst und wächst.

Doch mit steigender Dichte der Informationen wächst auch ein Problem: Das System reagiert immer empfindlicher auf Störungen; die Übertragung wird immer störanfälliger. Ist die Störung zu groß, kann der Informationsfluss unzuverlässig sein oder zusammenbrechen. Der größte Störfaktor in der Hochfrequenztechnik ist das Rauschen – „Verunreinigungen“ der Schwingungen, beispielsweise verursacht durch elektronische Bauteile.

Auch in Teilchenbeschleunigern wie dem des Röntgenlasers European XFEL sollen die Hochfrequenzschwingungen, die zur Beschleunigung eingesetzt werden, möglichst rauscharm sein. Das Ziel: die Teilchenbeschleunigung im Röntgenlaser so effizient und reproduzierbar wie möglich zu machen.

Einem Team aus der DESY-Arbeitsgruppe Beschleuniger Strahlkontrolle (MSK) ist es nun gelungen, einen Detektor-Prototypen im Labor zu entwickeln, der das elektromagnetische Feld der supraleitenden Resonatoren des TESLA-Typs mit einer bisher unerreichten Zeitauflösung von 10 Atto-Sekunden vermessen kann (10 Atto-Sekunden = 0,000 000 000 000 000 01 Sekunden) und damit das Rauschen der Grundschwingung mehr als 500-mal genauer misst als das bisher möglich war.

„Die Auflösung dieser „Rausch-Detektoren“ bestimmt, zusammen mit zahlreichen anderen Subsystemen, die zeitliche Genauigkeit des gesamten Beschleunigers und damit letztlich die erreichbare Genauigkeit der Experimente an diesen Anlagen“, erklärt Frank Ludwig aus der Gruppe MSK. „In der Phase der ersten Freie-Elektronen-Laser bei DESY (TTF-Facility) um das Jahr 2000 lag die Auflösung im 100 Femtosekunden-Bereich, in der folgenden Dekade wurden bei den Maschinen FLASH und European XFEL Auflösungen und Stabilitäten im unteren 10 Femtosekunden-Bereich erzielt.“

Das MSK-Team brachte erstmals für die Anwendung im Beschleunigerbereich das Verfahren der Trägerunterdrückung (Carrier Suppression Interferometer) zum Einsatz: Es unterdrückt das eigentliche Grundsignal der Schwingung und erhöht so die Genauigkeit, mit der ihre Fluktuationen gemessen werden können. Hochfrequenzingenieurin Louise Springer, die den Detektor im Rahmen ihrer Promotion entwickelte, sagt: „Es ist schon sehr ungewöhnlich, ohne die eigentliche Hochfrequenzschwingung zu arbeiten, die man charakterisiert, da alle herkömmlichen Geräte in der modernen Kommunikations-Technik nicht ohne dieses Trägersignal arbeiten können. Die Methode hat aber das Potenzial, die Zeitauflösung an den Beschleunigern in Zukunft auf weit unter eine Femtosekunde zu verbessern.“

„Bis der Labor-Prototyp in die komplexe Struktur von Beschleunigern integriert werden kann, gibt es noch einige Herausforderungen“, fügt Holger Schlarb, Leiter der Gruppe MSK, hinzu. Erste Messungen dafür sind am Test-Beschleuniger Cryo Module Test Bench (CMTB) in Planung. „Verbesserte Phasenrauschanalysatoren zur Vermessung von Hochfrequenz-Komponenten als Schlüssel-Technologie u.a. für die stetig wachsende Informationsdichte in der Datenübertragung sind aber ein sehr greifbares Ziel. Sie werden es ermöglichen, aktive und passive Hochfrequenz-Komponenten für den kommerziellen Markt als auch zukünftige Beschleuniger entscheidend zu verbessern“, so Schlarb.

„Dieser großartige Erfolg bei der Verbesserung unserer Techniken für Beschleuniger führt zu Innovationen, die sich auf viele andere Technologien auswirken können“, sagt Wim Leemans, Direktor des Beschleunigerbereichs.

Für die Verbesserung dieser Komponenten, die außer der Wissenschaft unter anderem in der Industrie, Telekommunikation, Radar und Raumfahrt eingesetzt werden, plant die Gruppe eine Weiterentwicklung ihres Felddetektors zusammen mit einem Kooperationspartner aus der Industrie.

 

Original-Veröffentlichung
L. Springer et al., “Phase Noise Measurements for L-Band Applications at Attosecond Resolution,” in IEEE Transactions on Instrumentation and Measurement, vol. 71, pp. 1-7, 2022, Art no. 8003307, DOI: 10.1109/TIM.2022.3170975