DESY News: Neue Wege, um Energiematerialien zu optimieren

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28.03.2025
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Neue Wege, um Energiematerialien zu optimieren

Wer bis in atomare Details versteht, was beim Umwandeln der Energie in Solarzellen, Schaltelementen von Computerchips oder Reaktoren zur Gewinnung von Wasserstoff abläuft, kann diese optimal verbessern, so dass sie so schnell, energiesparend und langanhaltend wie möglich funktionieren. Dafür braucht es Methoden, um die Prozesse auf der atomaren und sogar subatomaren Ebene in Zeitskalen von Piko- oder gar Femtosekunden zu beobachten. Das sind Billonstel bzw. Billiardstel Sekunden. „Extrem brillante Röntgenquellen, wie wir sie mit PETRA III, FLASH und European XFEL bei DESY betreiben, bieten die Lichtintensität, um die dafür erforderliche räumliche, zeitliche und chemische Auflösung zu erzielen“, sagt Simone Techert, leitende Wissenschaftlerin der Gruppe Chemische Strukturdynamik bei DESY und Professorin für Ultrakurzzeit-Röntgenphysik an der Universität Göttingen.

Effizientere Elektrolyse

Beispiel katalytische Wasserspaltung durch Elektrolyse: Dieses Verfahren dient der Gewinnung von Wasserstoff, wobei gleichzeitig Sauerstoff erzeugt wird. Nötig dafür ist ein Katalysator, der – auf der Wasserstoff- wie auf der Sauerstoffseite – die Wasserspaltung ermöglicht und beschleunigt. Und da sucht die Forschung nach den effizientesten Kandidaten. Für die Sauerstoffproduktion gelten Perowskite als besonders aussichtsreich, da sie unter energiearmen Betriebsbedingungen verwendet werden können und in der Natur reichhaltig vorkommen.

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Röntgenmethoden, die an den DESY Hochflußquellen entwickelt wurden, ermöglichen es, die aktive Schicht chemisch selektiv während der Wasserspaltung zu untersuchen – ein Beispiel für die Anwendungsmöglichkeiten der DESY Quellen, um moderne Energiematerialien genau zu charakterisieren. Bild: DESY
Perowskite sind eine Klasse von Mineralien mit einer speziellen Kristallstruktur, die besonders günstig für die Umwandlung von Energie ist. „Entscheidend für die Wirkung der katalytischen Wasserspaltung ist, was an der sogenannten Helmholtz-Schicht passiert – jener Grenzfläche, wo sich Wasser und Katalysator berühren“, sagt Simone Techert. „Wir konnten mit Hilfe unserer Röntgen-Methoden vor allem an PETRA III und mit einigen Test-Experimenten an FLASH diese Schicht genauer untersuchen und die verschiedenen kurzlebigen chemischen Spezies, die sich während der Elektrolyse bilden, bestimmen. Man sieht tatsächlich, wie einzelne Atome des Katalysators mit Wasser interagieren und kurzlebige Komplexe bilden, die wiederum Wanderungen von Katalysator-Atomen auf der Oberfläche auslösen können.“ Anhand der gestreuten Photonen der Röntgenstrahlung, so Techert, ließen sich sogar subatomare Quanteneffekte verfolgen, wenn die Wassermoleküle Elektronen verlieren und diese an die Katalysator-Atome auf der Oberfläche abgeben. Diese Dynamik ist überraschend: Die Theorie hatte eher ein sehr starres Bild der Katalysator-Oberfläche vorhergesagt.

Damit haben die Forschenden nun sowohl den Perowskit-Katalysator als auch das reagierende Wasser während der katalytischen Wasserspaltung mit Röntgenstrahlung untersucht. So ergibt sich ein genaueres, vollständiges Bild der Sauerstoffbildung, und die Katalysatoren können nun optimiert werden.

Die denkbar schnellsten Prozessoren

Ein weiteres Beispiel für die getesteten neuen Verfahren zur Untersuchung von Energiematerialien ist die Ultraschnelle Transmissions-Elektronenmikroskopie. Hier wird eine Materialprobe mit einem Lichtblitz beschossen und mit ultrakurzen Elektronenpulsen durchstrahlt, um zu sehen, wie das Material reagiert. Dazu hat Kai Rossnagel, der als leitender Wissenschaftler am DESY und Physikprofessor an der Universität Kiel Quantenmaterialien erforscht, ein passendes Modellmaterial beigesteuert: Tantaldisulfid (TaS2). „Dieser Kristallsandwich aus einer Schicht Tantalatomen zwischen zwei Schichten Schwefelatomen ist eine Art Drosophila der Materialphysik“, sagt er. „Wie die Taufliege in der Biologie wird es gern als Referenz hergenommen, weil es so viele interessante Phasenübergänge zeigt, wenn man etwa die Temperatur ändert oder es mit einem Lichtblitz beschießt.“

Phasenübergänge sind Veränderungen in der Anordnung von Atomen und Elektronen bei äußeren Einflüssen. Die Versuche offenbarten, dass die Lichtblitze bei TaS2 einen regelrechten Formationstanz der Teilchen hervorrufen: Im Kristallgitter der Atome verteilen sich die Elektronen neu, sie bilden eine neue, andere Überstruktur aus dichteren und weniger dichten Wolken, „wie Wellen und Täler der Elektronendichte, deren Verteilung an die Form eines Eierkartons erinnert“, erklärt Rossnagel.

Im Elektronenmikroskop erscheinen die beiden Phasen als hellere und dunklere Flecken. Per Lichtblitz lässt sich dieser Phasenübergang schalten, und zwar binnen weniger Pikosekunden. „Das bedeutet“, so Rossnagel, „dass wir es hier mit einer Möglichkeit zu ultraschnellen Schaltvorgängen in der Informationstechnologie zu tun haben.“ Denn das Material ändert mit den Phasen auch seine Eigenschaft, den Strom gut oder weniger gut zu leiten.

Mit den neuen Verfahren lässt sich genau beobachten, wie und warum das so schnell vor sich geht – und der Mechanismus womöglich irgendwann in unsere elektronischen Geräte übertragen.“ Prozessoren, wie sie etwa in unseren Handys stecken, könnten bis zu tausend Mal schneller werden. Und energieeffizienter: „Wir haben da einen Hebel für gigantische Stromeinsparungen in der Hand“, sagt Rossnagel.

Auch die Entwicklung von Quantenmaterialien bis hin zu Quantencomputern könnten die neuen Methoden erheblich voranbringen. Winzigste Mängel im Quantenmaterial ließen sich aufspüren und beheben, um der Störanfälligkeit von Quantencomputern entgegenzuwirken.

Eine ganze Reihe neuer Methoden

Beide Beispiele – die Röntgenverfahren zur Untersuchung der elektrischen Katalyse und die Elektronenmikroskopie zur Untersuchung von Quanteneffekten – gehören in eine ganze Reihe neuer Methoden, die zum Teil auf Arbeiten an PETRA III und FLASH basieren. Sie sind in einen jüngst publizierten Übersichtsartikel eingegangen, der die Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) „Kontrolle von Energieumwandlung auf atomaren Skalen“ zusammenfasst. Neben verschiedenen Instituten der Universität Göttingen war an dem SFB auch DESY beteiligt.

Unterm Strich, so die beiden DESY-Forschenden Techert und Rossnagel, eröffnen die neuen hochauflösenden Mikroskopie- und Spektroskopieverfahren analytische Möglichkeiten, die die Energiewende entscheidend voranbringen können. Und das sei auch dringend notwendig, meint Techert: „Denn wir müssen die Energiewende so schnell wie möglich hinbekommen, um den Klimawandel im Rahmen zu halten.“

 

Originalveröffentlichung

Kai Rossnagel und Simone Techert et al, "Advancing Energy Materials by In Situ Atomic Scale Methods", Advanced Energy Materials, 2025, DOI: 10.1002/aenm.202404280