DESY News: Auf dem Weg zum Quantenspeicher: Forschungsgruppe speichert Röntgenblitze

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26.06.2024
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Auf dem Weg zum Quantenspeicher: Forschungsgruppe speichert Röntgenblitze

Licht ist ein hervorragender Informationsträger, der nicht nur in klassischen Kommunikations-technologien, sondern zunehmend auch in Quantenanwendungen wie Quantencomputing genutzt wird. Die Verarbeitung von Lichtsignalen ist jedoch weitaus schwieriger als für übliche elektronische Signale. In Experimenten an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III und an der ESRF hat eine internationale Forschungsgruppe gezeigt, wie Röntgenpulse auf neuartige Weise gespeichert und freigesetzt werden können. Dies könnte die Grundlage für zukünftige Anwendungen von Quantentechnologien im Röntgenbereich sein. Die Ergebnisse veröffentlichte die Gruppe jetzt im Journal Science Advances.

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Schön, aber kompliziert: Das Interferenzmuster zeigt Messungen einzelner Photonen, die auf einer logarithmischen Skala farblich von dunkel zu hell visualisiert sind. Die Messung wird als Funktion der Detektionszeit (vertikale Achse, von 13 bis 175 Nanosekunden nach Pulsanregung) und des Energieabstands der Frequenzkammzähne (horizontale Achse, von -480 bis 480 Nano-Elektronenvolt) dargestellt. Die Regionen heller Farben kennzeichnen Zeitpunkte, an denen das gespeicherte Photon mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder abgegeben wird. Diese Zeitpunkte sind bei größeren Energieabständen enger beieinander, während sie bei kleineren Energieabständen weiter auseinanderliegen. Bild: DESY, Sven Velten
Im Quantencomputing müssen, ähnlich wie im klassischen Computing, verschiedene Prozesse synchronisiert werden. Beispielsweise muss in einem Multithread-Prozess, also der gleichzeitigen Ausführung mehrerer Befehlsstränge, jeder Thread warten, bis alle anderen fertig sind, bevor der Prozess fortgesetzt werden kann. Dies erfordert ein Speichermedium, in dem die Quanteninformationen, sogenannte Qubits, ohne Informationsverlust gespeichert und zu vorher bestimmten Zeiten freigesetzt werden können. Im optischen Quantencomputing können Licht-Wellenpakete mit ihren verschiedenen Eigenschaften wie etwa Photonenzahl, Polarisation oder Wellenform verschiedene Qubits darstellen. Das Speichern eines solchen Wellenpakets ohne Verlust seiner Quanteninformation ist eine große Herausforderung für optische Quantenanwendungen, da Photonen sehr schwer zu kontrollieren sind.

Das Problem wird üblicherweise gelöst, indem die Quanteninformation auf einen langlebigen Zustand eines Materiesystems übertragen wird. Verschiedene „Quantenspeicher“-Abläufe wurden entwickelt, die das Materiesystem dazu bringen, das Photonen-Wellenpaket zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder abzustrahlen, wodurch das Qubit dann ausgelesen werden kann. Eine besonders interessante Technik verwendet dabei eine „Frequenzkamm“-Struktur. Bei dieser Methode kann das Materiesystem eine Reihe von gleichmäßig verteilten Lichtfrequenzen absorbieren. Durch ihre regelmäßigen Abstände ähneln diese Absorptionslinien der Struktur der Zähne eines Kamms. Wenn ein Photonen-Wellenpaket von einer solchen Kammstruktur absorbiert wird, werden gleichzeitig alle entsprechenden atomaren Resonanzen im Material angeregt. In solchen Resonanzen wird Energie gespeichert, die dann wieder abgegeben wird. Im Fall des Frequenzkamms hat die anschließende Emission des Wellenpakets eine bemerkenswerte Eigenschaft: Die Photonen werden nur zu Zeitpunkten emittiert, an denen alle Emissions-Übergänge phasengleich abstrahlen, so dass eine konstruktive Interferenz zwischen allen Übergängen auftreten kann. Diese Zeitpunkte sind durch den Energieabstand der Kammzähne bestimmt. Indem man vor der Ankunft eines Photonen-Wellenpakets einen bestimmten Frequenzkammzustand im Materiesystem herstellt, erfolgt die spätere Emission des Photonen-Wellenpakets zu den vorher bestimmten Zeitpunkten (nahezu) ohne Informationsverlust.

Diese Quantenspeicher-Methode wurde für sichtbares Licht demonstriert, indem mit starken Laserquellen ein Frequenzkamm in einem atomaren Absorptionsspektrum erzeugt wurde. Dies wird allerdings zunehmend schwieriger für Licht mit kürzeren Wellenlängen, da Lichtquellen bei Röntgenenergien viel schwächer sind. „Wir konnten dieses Problem durch einen neuartigen Ansatz zur Bildung eines Frequenzkamms überwinden“ erklärt Ralf Röhlsberger vom Helmholtz Institut Jena und DESY, der das Experiment konzipiert hat. Der Erstautor der Studie, DESY-Forscher Sven Velten, der auch im Exzellenzcluster „Centre for Ultrafast Imaging CUI“ forscht, fügt hinzu: „Anstatt eines atomaren Übergangs haben wir den Kernübergang des Isotops 57Fe bei einer Energie von 14,4 Kilo-Elektronenvolt genutzt. Das entspricht einer Wellenlänge von 86 Pikometer, liegt also im Röntgenbereich.“ Kernübergänge zeichnen sich durch extrem schmale Energielinienbreiten aus. Der Übergang von 57Fe hat beispielsweise eine Energielinienbreite von 5 Nano-Elektronenvolt, das sind fast 13 Größenordnungen kleiner als seine Resonanzenergie. Wenn man die Absorptionsmaterialien durch mechanische Bewegungen zueinander bewegt, kann die Resonanzenergie durch den Dopplereffekt erheblich verändert werden, was eine Verschiebung der schmalen Übergänge möglich macht. Das hat die Forschungsgruppe ausgenutzt, um eine Frequenzkammstruktur zu bilden, bei der mehrere Absorber-Folien mechanisch zueinander bewegt wurden. Nach einer Anregung aller Folien mit einem kurzen Röntgenpuls emittieren diese nach kurzer Zeit ein Röntgenwellenpaket in dieselbe Richtung. Dieses kohärente Paket trägt alle Phaseninformationen verlustfrei mit sich. Die Verzögerungszeit der Ausstrahlung kann durch die Bewegungsgeschwindigkeit der Absorber-Folien zueinander eingestellt werden. Dieser „Kernfrequenzkamm“ ermöglicht somit die Emission von Röntgenphoton-Wellenpaketen zu kontrollierbaren Zeitpunkten, wobei die Wellenform des Wellenpakets nahezu unverändert bleibt.

Die in diesen Experimenten verwendete Synchrotronstrahlung enthielt jeweils höchstens ein Photon, das unter den Resonanzbedingungen von den Absorber-Folien absorbiert und damit gespeichert werden konnte. Die Fähigkeit, auf der Ein-Photonen-Ebene ohne Informationsverlust zu arbeiten, ist die ideale Grundlage, um den Kernfrequenzkamm als Quantenspeicher zu nutzen – ein Novum für Röntgenenergien. Dies eröffnet das Potenzial für die Anwendung von Quantentechnologien im kurzen Wellenlängenbereich, wo Geräte kompakter und flexibler sein können und dabei bei Raumtemperatur betrieben werden können. Der Kernfrequenzkamm ermöglicht außerdem die Bildung von „Time-Bin“-Wellenformen, einer speziellen Art von photonischen Qubits. Die Manipulation und Kontrolle von Röntgenwellenpaketen auf der Ein-Photonen-Ebene eröffnet faszinierende Möglichkeiten für technische Anwendungen wie die Anregung und Detektion ultraschmaler Kernübergänge sowie die Weiterentwicklung des Gebiets der Röntgenquantenoptik.

 

Originalveröffentlichung
Nuclear quantum memory for hard X-ray photon wave packets, Sven Velten, Lars Bocklage, Xiwen Zhang, Kai Schlage, Anjali Panchwanee, Sakshath Sadashivaiah, Ilya Sergeev, Olaf Leupold, Aleksandr I. Chumakov, Olga Kocharovskaya, Ralf Röhlsberger, Science Advances 26. Juni 2024, DOI: 10.1126/sciadv.adn9825