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DESY trauert um Professor Dr. Bjørn H. Wiik
Mit größter Betroffenheit hat DESY die Nachricht von dem tragischen Tod seines Direktors, Prof. Dr. Bjørn H. Wiik (62), aufgenommen. Er starb am Freitag an den schweren Folgen eines häuslichen Unfalls. Der norwegische Physiker war Professor für Experimentalphysik an der Universität Hamburg und seit 1993 der Vorsitzende des DESY-Direktoriums. "Wir verlieren in Bjørn Wiik nicht nur einen weltweit anerkannten Wissenschaftler und herausragenden Leiter unseres Forschungsinstituts, sondern vor allem eine Persönlichkeit mit außergewöhnlichen menschlichen Qualitäten", erklärt der stellvertretende Direktoriumsvorsitzende, Dr. Helmut Krech. "Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt seiner Familie, besonders seiner Frau und den drei Kindern."
Der mit zahlreichen wissenschaftlichen Ehrungen und Preisen ausgezeichnete Verstorbene wurde 1937 in Bruvik (Norwegen) geboren, besuchte dort die Schule und studierte im Anschluß daran an der Technischen Hochschule Darmstadt Physik. Er beendete sein Studium 1965 mit der Promotion und ging zwei Jahre danach an das Forschungszentrum SLAC (Stanford Linear Accelerator Center) bei San Francisco (USA), wo er sich auf die Elementarteilchenphysik spezialisierte. Dort entwickelte Bjørn H. Wiik die Idee, einen neuen Beschleunigertyp für die Untersuchung der kleinsten Materieteilchen zu bauen, ein "Super-Elektronenmikroskop", in dem hochenergetische Elektronen mit den ebenfalls auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigten, 2000mal schwereren Wasserstoffkernen, den Protonen, kollidieren können.
Mit dieser Idee kam Wiik 1972 zu DESY nach Hamburg, wo er in der experimentellen Teilchenphysik forschte und vier Jahre später zum Leitenden Wissenschaftler berufen wurde. Er gehörte zu dem vierköpfigen Team, das 1979 an dem DESY-Beschleuniger "PETRA" (Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage) zum ersten Mal das "Gluon" experimentell nachweisen konnte - eins der wenigen Teilchen, die für den Aufbau und den Zusammenhalt aller Materie verantwortlich sind. 1995 wurden die vier Wissenschaftler für diese Entdeckung mit einem Preis der Europäischen Physikalischen Gesellschaft (EPS) ausgezeichnet, der in der Fachwelt als eine herausragende Anerkennung gilt.
1980 konkretisierte sich dann Prof. Wiiks Idee, einen neuartigen Elektron-Proton-Beschleuniger zu errichten, in der Planung der Hadron-Elektron-Ring-Anlage HERA, der weltweit ersten und bis heute einzigen Anlage dieser Art, mit deren Bau vier Jahre später begonnen wurde. HERA steht in einem unterirdischen Ringtunnel von 6,3 km Umfang und eröffnet die Möglichkeit, die schweren Protonen mit zehnmal besserer Genauigkeit ("Auflösung") zu untersuchen als die besten bisher verfügbaren Maschinen. Das 1,4 Milliarden Mark teure, größte Forschungsinstrument Deutschlands ging 1992 in Betrieb. Heute arbeiten an HERA über 1200 Wissenschaftler aus 25 Ländern in vier großen Experimentiergruppen. Bjørn Wiik war als HERA-Projektleiter für den Protonenkomplex verantwortlich.
DESY ist für seine beiden Arbeitsfelder mit HERA (Teilchenphysik-Forschung) und DORIS/HASYLAB (Untersuchungen mit Synchrotronstrahlung in Naturwissenschaft und Technik) mindestens für die kommenden zehn Jahre mit hervorragenden Instrumenten ausgerüstet. Trotzdem müssen die Planungen für die nächste Forschungsanlage jetzt beginnen, damit bei DESY auch in Zukunft Spitzenforschung betrieben werden kann. Dies war die Überzeugung und gleichzeitig die Aktionsrichtung von Prof. Bjørn H. Wiik, als er 1993 sein Amt als Vorsitzender des DESY-Direktoriums antrat. Dieses Zukunftsprojekt ist der 33 km lange lineare Beschleuniger für Elektron-Positron-Kollisionen TESLA, in den neue Strahlungsquellen, sogenannte Röntgenlaser, integriert sind. Neu an TESLA (TeV-Energy Superconducting Linear Accelerator) sind nicht nur die zahlreichen Techniken, die erst entwickelt werden müssen (z.B. die supraleitenden Beschleunigungseinheiten höchster Leistungsfähigkeit), eine Herausforderung werden auch das geplante internationale Finanzierungsmodell sowie die geplante internationale Organisationsstruktur sein. Angesprochen auf die Frage, wie man so ein anspruchsvolles Projekt vor allem in finanziell schwierigen Zeiten überhaupt initiieren könne, antwortete Bjørn Wiik gerne mit dem Lichtenberg-Zitat: "Man muß Neues machen, um Neues zu sehen."
Preise und Auszeichnungen: Norsk Data-Physikpreis (1984); Stipendiat der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft APS (1990); Mitglied der Norwegischen Akademie der Wissenschaften (Det Norske Videnskaps-Akademi, 1991); Mitglied der Norwegischen Akademie der Technischen Wissenschaften (1992); Mitglied der Königlich-Norwegischen Akademie der Wissenschaften (1992); Amerikanische Akademie der Künste und Wissenschaften (1993); Hochenergiephysik-Preis der Europäischen Physikalischen Gesellschaft (EPS, 1995); Ehrendoktorwürde der Universität Oslo (1997); Auswärtiges Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften (1997); Ehrenprofessor des Henryk Niewodniczanski Instituts für Kernphysik, Krakau (1999).