13.01.2012

Der kleinste magnetische Datenspeicher der Welt

Forscher vom Computerkonzern IBM und dem Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) haben den kleinsten magnetischen Datenspeicher der Welt konstruiert. Die Wissenschaftler benötigen lediglich 12 Atome, um ein Bit zu speichern, die Grundeinheit der Information. Ein Byte (8 Bit) quetschen sie auf diese Weise in 96 Atome. Zum Vergleich: Moderne Festplatten nutzen mindestens eine halbe Milliarde Atome für ein Byte. Die Gruppe um IBM-Forscher Dr. Andreas Heinrich und CFEL-Forscher Dr. Sebastian Loth stellt ihre Entwicklung im Fachjournal "Science" vom 13. Januar 2012 vor. Das CFEL ist eine Kooperation des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY, der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Hamburg. „Mit dem CFEL haben die Partner auf dem DESY-Campus eine Innovationsschmiede geschaffen, die interdisziplinäre Spitzenforschung in einem breiten Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen bietet“, betont DESY-Forschungsdirektor Prof. Edgar Weckert.

Anitferromagnetische Ordnung in einer regelmäßigen Anordnung von zwölf Eisenatomen, aufgenommen mit einem Rastertunnelmikroskop. Die Doppelkette aus insgesamt zwölf Eisenatomen ist in den Experimenten die kleinste Speichereinheit für ein Bit.

Für ihren Nanospeicher hatten die Forscher am Almaden-Forschungszentrum des Computerkonzerns IBM in San Jose (Kalifornien) mit einem Rastertunnelmikroskop ein regelmäßiges Muster aus Eisenatomen aufgebaut. Jeweils zwei Ketten aus sechs Atomen speichern dabei ein Bit. Ein Byte (8 Bit) beansprucht 4 mal 16 Nanometer. „Das entspricht einer 100 Mal höheren Speicherdichte als auf einer modernen Festplatte“, betont Loth.

Beschrieben und ausgelesen wird der Nanospeicher ebenfalls mit dem Rastertunnelmikroskop. Die Blöcke aus zwölf Eisenatomen lassen sich durch elektrischen Strom zwischen zwei Magnetisierungszuständen umschalten. Diese entsprechen den Werten 0 und 1, den beiden möglichen Zuständen eines Bits. Allerdings sind die Nanomagnete bislang nur bei ultrakalten Temperaturen von -268 Grad Celsius (5 Kelvin) stabil. „Unsere Arbeit greift der aktuellen Speichertechnologie weit voraus“, erläutert Loth. Die Forscher gehen davon aus, dass eine Ansammlung von maximal 200 Atomen auch bei Raumtemperatur einen stabilen magnetischen Zustand bilden kann. Doch bis atomare Magnete in der Speichertechnologie Verwendung finden, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen.

Den Forschern ist es erstmals gelungen eine besondere Form des Magnetismus, den Antiferromagnetismus, zum Speichern von Informationen zu verwenden. Anders als beim Ferromagnetismus, den herkömmliche Festplatten benutzen, liegen dabei die Eigendrehimpulse (Spins) benachbarter Atome entgegengesetzt. Dadurch erscheint das Material nach außen magnetisch neutral, und so lassen sich die einzelnen Speicherelemente viel dichter platzieren. Die einzelnen Bits haben nur noch einen Abstand von einem Nanometer.

„Angesichts der Miniaturisierung der Elektronik wollten wir wissen, ob man diese Entwicklung bis an die Grenze einzelner Atome weitertreiben kann“, erläutert Loth. Statt jedoch vorhandene Bauelemente immer weiter zu verkleinern, wählte die Gruppe den umgekehrten Ansatz: „Beginnend mit dem Kleinsten, dem Atom, haben wir Datenspeicher Atom für Atom aufgebaut“, berichtet Dr. Andreas Heinrich, Leiter der Forschungsgruppe bei IBM. Die Präzision, die dafür nötig ist, beherrschen nur wenige Gruppen auf der Welt.

„Wir haben geprüft, wie groß wir mindestens bauen müssen, um das Gebiet der klassischen Physik zu erreichen“, berichtet Loth, der vor vier Monaten von IBM zum CFEL gekommen ist. Zwölf Atome stellten sich bei den verwendeten Elementen als Untergrenze heraus. „Darunter verwischen Quanteneffekte die gespeicherte Information.“ Ob und wie sich unter der gezielten Nutzung dieser Quanteneffekte eine noch höhere Informationsdichte erreichen lässt, beschäftigt gegenwärtig einen ganzen Forschungszweig.

Mit ihren Experimenten haben die Wissenschaftler nicht nur den kleinsten magnetischen Datenspeicher der Welt gebaut, sondern auch ein ideales Testsystem für den Übergang von der klassischen zur Quantenphysik geschaffen:„Wir haben gelernt, die Quanteneffekte durch Form und Größe der Eisenreihen gezielt zu beeinflussen“, erklärt Loth, der die Max-Planck-Forschungsgruppe Dynamik nanoelektrischer Systeme am Hamburger CFEL und dem Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung leitet. „In Zukunft können wir diese Fähigkeit nutzen, um gezielt zu untersuchen, wie die Quantenmechanik einsetzt. Was unterscheidet einen Quantenmagneten von einem klassischen Magneten? Und wie verhält sich ein Magnet genau an der Grenze zwischen beiden Welten? Das sind spannende Fragen, die jetzt beantwortbar werden.“  

Diesen Fragen wird Loth künftig in einem neuen Labor am CFEL nachgehen, das hierfür ideale Forschungsbedingungen bietet. „Mit Sebastian Loth ist einer der führenden Wissenschaftler in der zeitaufgelösten Rastertunnelmikroskopie ans CFEL geholt worden, der die vorhandene Expertise in der Untersuchung der Dynamik in atomaren und molekularen Bereichen ideal ergänzt“, betont CFEL-Forschungskoordinator Dr. Ralf Köhn.

 

Über das CFEL

Das Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) auf dem Forschungscampus Hamburg-Bahrenfeld ist eine Kooperation des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY, der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Hamburg. Es beschäftigt sich mit der Forschung an sogenannten Freie-Elektronen-Lasern (FEL). Diese neuartigen Lichtquellen auf der Basis von linearen Teilchenbeschleunigern ermöglichen, die Natur auf der Skala einzelner Moleküle und Atome live zu beobachten. Unter dem Dach des CFEL treffen sich führende Forscher verschiedener Disziplinen, um gemeinsam an übergreifenden Themen zu arbeiten. Die gegenwärtig über 140 CFEL-Mitarbeiter bilden dabei fünf Divisionen und zwei sogenannte Advanced Study Groups mit einem Jahresetat von insgesamt mehr als zehn Millionen Euro. http://www.cfel.de

 

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Originalveröffentlichung

"Bistability in atomic-scale antiferromagnets"; Sebastian Loth, Susanne Baumann, Christopher P. Lutz, D.M. Eigler, Andreas J. Heinrich; "Science", Bd. 335, S.196, DOI: 10.1126/science.1214131