08.09.2011

Lichtblitze halten Elektronen in Schach

Ein internationales Team von Wissenschaftlern mit Beteiligung des CFEL ist der Möglichkeit, Elektronenbewegungen in Atomen zu beeinflussen, einen deutlichen Schritt näher gekommen. Sie erzeugten erstmals weiße Laserpulse, die kürzer sind als eine ganze Schwingungsdauer, und deren elektromagnetische Felder sie präzise synthetisierten. Die Technik verspricht eine umfangreiche Kontrolle über Bewegungen von Elektronen im Mikrokosmos. Als zukünftige Anwendung sind nanoskopische, elektronische Schalter denkbar, die die Schaltgeschwindigkeit moderner Elektronik um viele Größenordnungen übertreffen. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse im Wissenschaftsmagazin Science (Science Express, 8.9.2011).

Ein Lichtwellensynthetisator spaltet einfallendes weißes Laserlicht in drei Farbkanäle auf und modifiziert es anschließend. Das Zusammensetzen erzeugt Laserpulse mit komplexen, aber fein justierbaren Wellenverläufen. (Foto: Thorsten Naeser)

Elektronen in Atomen und Molekülen bewegen sich mit atemberaubenden Geschwindigkeiten, und auf die Teilchen wirken enorme Kräfte. Wer solche Teilchen beobachten will, braucht ultrakurze Lichtpulse. Will man die Elektronen zudem kontrollieren, muss man die Pulsstruktur dieser Blitze manipulieren. Eine solche Manipulation hat jetzt erstmals ein Team von Physikern um Dr. Eleftherios Goulielmakis und Prof. Ferenc Krausz vom Labor für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU München) in Garching bewerkstelligt. Beteiligt an dem Projekt waren auch Wissenschaftler vom Center for Free-Electron Laser Science bei DESY in Hamburg und der King-Saud-Universität (Saudi-Arabien).

Die Wissenschaftler machten sich bei diesen Experimenten die Welleneigenschaften des Lichts zunutze. Sie haben in die Wellenform weißer Laserpulse kleinste Abweichungen des typischen Licht-Schwingungsverhaltens eingebaut. Dabei verkürzten die Forscher unter anderem die Dauer der Pulse soweit, dass sie aus weniger als einer kompletten Schwingung bestehen. Damit haben sie erstmals so genannte isolierte Subzykluspulse von hoher Kohärenz im sichtbaren Spektrum des Lichts erzeugt. Die Technik verspricht eine präzise Steuerung von Elektronenbewegungen in den elementarsten Bausteinen des Mikrokosmos. Auch die Beobachtung inneratomarer Prozesse wird mit dem neuen Werkzeug präziser, da sie eine zeitlich exakte Anregung von Prozessen erlaubt.

Die Wechselwirkungen des Lichtpulses mit den Elektronen sind bei diesem Verfahren von besonderer Bedeutung. Herkömmliche Methoden zur Beschreibung, wie sich Licht und Elektronen beeinflussen, sind in dieser ultraschnellen Nanowelt nicht anwendbar. Die Beschreibung der Interaktion hat die Arbeitsgruppe von Prof. Robin Santra am CFEL durchgeführt. Sie entwickelte dazu eine state-of-the-art-Theorie zur Beschreibung des Ionisierungsprozesses eines Vielelektronenatoms durch einen solchen synthetisierten Lichtpuls. Im Gegensatz zu bisher existierenden Methoden kann diese Theorie sowohl den Einfluss von Spin-Bahn-Kopplung im Ion als auch die elektronische Korrelation und die damit einhergehenden quantenmechanischen Prozesse zwischen dem Ion und dem herausgeschlagenen Elektron beschreiben. Durch aufwändige Berechnungen mit Hilfe von Computern wurde berücksichtigt, dass vom Atom sehr viele Photonen simultan absorbiert werden, um ein Elektron freizusetzen. „Mit Hilfe unserer state-of-the-art-Rechnungen können wir wesentliche Aspekte des Experiments verstehen, insbesondere den hohen Grad der Kohärenz, der erreicht werden konnte“, sagt CFEL-Wissenschaftler Robin Santra. „Um das Fernziel der kontrollierten Elektronen-Beeinflussung erreichen zu können, müssen wir das theoretische Verständnis der Prozesse, die mit den neuen Lichtquellen zugänglich werden, weiterentwickeln.“