02.07.2025

Neue Technologien für PETRA IV

Für PETRA IV wird derzeit ein innovativer Laser-Plasmabeschleuniger entwickelt

DESY veröffentlicht Konzeptstudie für innovativen Plasmainjektor

Große Teilchenbeschleuniger sind hochkomplexe Maschinen. Zum Beispiel speichert die DESY-Röntgenlichtquelle PETRA III Elektronen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen, über viele Stunden. Dazu benötigt sie einen Injektor -- ein komplexes Arrangement an Vorbeschleunigern, das die Teilchen zunächst erzeugt und dann auf Touren bringt, sodass sie in den 2,3 Kilometer großen Elektronenspeicher-Ring PETRA III eingeschossen werden können. Für den geplanten Nachfolger PETRA IV wird derzeit ein innovativer Laser-Plasmabeschleuniger entwickelt, der die Elektronen ohne den Umweg über eine Vorbeschleunigerkette direkt in den Speicherring injiziert. Dadurch würde Platz und Energie gespart. Wie ein solcher Injektor aussehen kann, beschreibt das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY in einer vor Kurzem veröffentlichten Konzeptstudie (Conceptual Design Report, CDR).  

„Die Veröffentlichung dieser Studie ist für uns ein wichtiger Meilenstein.“
DESY-Wissenschaftler Alberto Martinez de la Ossa
Alberto Martinez de la Ossa DESY-Wissenschaftler, Experte für Plasma-Wakefield-Beschleunigung

Alberto Martinez de la Ossa ist korrespondierender Autor der Studie, über die er sagt: „Wir zeigen, dass ein Plasmainjektor für eine Hochleistungsquelle wie PETRA IV prinzipiell möglich ist und welche Herausforderungen es noch zu bewältigen gilt.“

Die Realisierung dieser Studie wurde durch ein Team von Fachleuten aus zwei verschiedenen Bereichen ermöglicht – der hochfrequenzbasierten und plasmabasierten Beschleunigertechnologie. „Die enge Zusammenarbeit war ausschlaggebend, um das vielversprechendste Design für den Laser-Plasmainjektor zu entwickeln,“ fügt de la Ossa hinzu.

Basis für den Plasmainjektor ist die Laser-Plasmabeschleunigung – eine noch junge Technologie. Anstatt wie bei einer konventionellen Anlage die Elektronenpakete mit starken Radiowellen auf hohe Energien zu bringen, schießt ein Laser kurze, ungemein intensive Lichtpulse in ein mit Gas gefülltes Röhrchen. Dort erzeugen die Lichtblitze starke elektrische Felder, welche Elektronen dann regelrecht wegkatapultieren können. Die Technik ermöglicht hohe Beschleunigungsfelder auf engstem Raum und erlaubt damit den Bau sehr kompakter Beschleuniger. DESY entwickelt und verbessert die Technologie seit mehreren Jahren.

Visualisierung der Laser-Plasmabeschleunigung.
Im Laser-Plasmabeschleuniger erzeugt ein kurzer hochintensiver Laser (dargestellt in gelb) eine Plasmawelle (dargestellt in weiß). Diese Welle erlaubt es, Elektronenpakete (dargestellt in blau) innerhalb weniger Zentimeter auf die für PETRA IV nötige Energie zu beschleunigen. Wie ein Laser-Plasmabeschleuniger für PETRA IV - ein sogenannter Plasmainjektor - aussehen könnte, wird im vor Kurzem veröffentlichten CDR beschrieben. Bild: DESY, A. Ferran Pousa, A. Martinez de la Ossa

Mit dem Konzept eines PETRA-IV-Plasmainjektors skizziert das Forschungszentrum nun, wie eine erste konkrete Anwendung der zukunftsweisenden Methode aussehen könnte. Heute, beim Injektor von PETRA III, erzeugt eine Elektronenkanone die Teilchenpakete und ein 70 Meter langer Linearbeschleuniger (Linac) bringt sie auf Trab. Dann gelangen die Elektronen in den DESY-II-Beschleuniger – ein ringförmiges Synchrotron mit 300 Metern Umfang, das die Teilchen auf ihre endgültige Energie von 6 GeV beschleunigt und weiter zum PETRA-III-Ring schickt. „Bei einem Plasmainjektor würden wir mit einem Bruchteil dieser Fläche auskommen“, erläutert de la Ossa.

 

„Die ideale Version wäre ein kleines Gebäude direkt neben dem Speicherring“, ergänzt Andreas Maier, leitender Wissenschaftler für die Plasmabeschleunigung bei DESY. „Im oberen Stockwerk könnte der Laser untergebracht sein, im unteren der Plasmabeschleuniger.“ Durch die direkte Anbindung an den Ring könnte auf die derzeit noch nötigen Komponenten für den Transfer der Elektronenpakete verzichtet werden. In Kombination mit der Plasmabeschleunigung ließe sich so eine Menge Energie einsparen.

 

Um einen praxistauglichen Injektor zu realisieren, werden diverse Innovationen entwickelt. Entscheidend ist die Qualität der Elektronenpakete – immerhin soll PETRA IV deutlich feinere und intensivere Röntgenstrahlen liefern als der heutige Ring. Dazu benötigt die künftige Anlage Elektronen, deren Energieverteilung um maximal ein Prozent schwankt. „Das war wahrscheinlich die grundlegendste Herausforderung für einen Plasmainjektor“, erläutert de la Ossa. „Denn Laser-Plasmabeschleuniger neigen zu einem relativ breiten Energiespektrum.“ Diese Hürde konnten die Fachleute bereits nehmen. Vor Kurzem entwickelten sie einen sogenannten Energie-Kompressor: Dabei ist der Plasmastufe ein kurzer konventioneller Beschleuniger nachgeschaltet. Dank einer trickreichen Anordnung schiebt er die Energieverteilung der Elektronenpakete auf das nötige Maß zusammen. Das Konzept wurde bereits erfolgreich in einem Demonstrator-Experiment umgesetzt und die Ergebnisse kürzlich im Fachjournal Nature veröffentlicht.

 

Um die Energie für die direkte Injektion in den Speicherring zu erreichen, wird eine Elektronenenergie von 6 GeV benötigt. Hierfür möchte das DESY-Team eine spezielle Variante der Plasmabeschleunigung nutzen und weiterentwickeln – das sogenannte Laser Guiding. Hier wird vor dem eigentlichen Laserpuls ein schwächerer Lichtblitz in ein Gas geschossen. Er ionisiert das Gas zu einem Plasma und schafft darin eine Art Kanal für den unmittelbar folgenden Haupt-Laserpuls. Der bleibt dadurch über Dutzende von Zentimetern scharf gebündelt und kann Elektronen über eine längere Strecke beschleunigen – und damit auf höhere Energien. Eine weitere Anforderung: Um viele Experimente an PETRA IV zu ermöglichen, muss der Ring alle paar Stunden mit neuen Elektronen befüllt werden – und zwar möglichst rasch. Um das zu schaffen, sollte der Laser eines künftigen Plasmainjektors je nach Anzahl der Elektronen pro Paket etwa 10 bis 30 hochintensive Lichtblitze pro Sekunde abfeuern können. Und schließlich muss das Lasersystem noch unter Beweis stellen, dass es mit der gleichen Zuverlässigkeit laufen kann, wie die jetzige, bewährte Radiofrequenztechnologie.

 

Um dieses komplexe Zusammenspiel verschiedener Technologie zu studieren, kann DESY auf modernste Computersimulationen zurückgreifen. Speziell für diese Studien wurde auch neue Software entwickelt. „Die präzise Modellierung der gesamten Kette – vom Plasmabeschleuniger bis zum PETRA-IV-Speicherring – ist komplex, aber entscheidend für derart anspruchsvolle Studien“, sagt Maxence Thévenet, Teamleiter für Theorie und Simulationen in DESYs Plasmabeschleuniger-Gruppe. „Das Arbeiten in einer Open-Source-Umgebung durchzuführen, gewährleistet hohe Standards und fördert die Zusammenarbeit“, ergänzt Thévenet.

 

Mit der Veröffentlichung des CDR hat das Team nun einige noch offenen Baustellen benannt, und ist mit dem Projekt im Technologiereifeprozess angekommen. Den nächsten Meilenstein soll ab Ende 2026 ein funktionsfähiger Demonstrator markieren. Plasma-beschleunigte Elektronen sollen dafür in das bestehende DESY-II-Synchrotron eingespeist werden, später auch in den PETRA-III-Ring. Das Ziel ist, die Kernkomponenten, also Plasmabeschleuniger, Energiekompressor und Einspeiseoptik, unter realen Bedingungen zu testen. „Wenn uns dieser Schritt gelingt, wäre das ein Wendepunkt“, betont Wim Leemans, Direktor für den Bereich Beschleuniger bei DESY. „Das wäre der erste Einsatz der Plasmatechnologie unter Praxisbedingungen.“

 

Das derzeitige Grunddesign sieht eine konventionelle Kette aus linearem Vorbeschleuniger und Synchrotron vor. „Ein Laser-Plasmainjektor ist Teil dieses Plans, aber noch nicht reif genug um auf die bewährte konventionelle Injektionsoption zu verzichten“, stellt Maier klar. „Unser Ziel ist es, in möglichst kurzer Zeit genug experimentelle Evidenz zu sammeln, um darüber im kommenden oder darauffolgenden Jahr entscheiden zu können“, ergänzt Leemans. Denkbar wäre auch ein hybrides System: Demnach würde PETRA IV zunächst mit dem konventionellen Injektorsystem starten, parallel dazu kann das Team praktische Erfahrungen mit einem ebenfalls installierten Plasmainjektor sammeln. Wenn sich die neue Technologie als robust, effizient und zuverlässig erweist, könnte ein endgültiger Wechsel zur Plasmabeschleunigung erfolgen.

 

Veröffentlichungen

Agapov, I., Antipov, S., Brinkmann, R., Ferran Pousa, A., Jalas, S., Kirchen, M., Leemans, W., Maier, A., Martinez de la Ossa, A. (Corresponding author), Osterhoff, J., Shalloo, R., Thévenet, M., Winkler, P. V. The Plasma Injector for PETRA IV: Enabling Plasma Accelerators for Next-generation Light Sources. Conceptual Design Report, DESY, 2025, DOI: 10.3204/PUBDB-2024-06078

 

Winkler, P., Trunk, M., Hübner, L. et al. Active energy compression of a laser-plasma electron beam. Nature, 2025, DOI: 10.1038/s41586-025-08772-y

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