
Treibstoff für Mars-Raketen
Wie Forschungsteams Röntgenlicht nutzen, um neue Werkstoffe zu entwickeln.
Seit 2010 lockt PETRA III Forscherinnen und Forscher aus aller Welt zu DESY nach Hamburg. Ob Materialwissenschaft, Biotechnologie, medizinische Grundlagen oder Energie- und Erdsystemforschung – wer bis tief in die Nanoebene blicken will, setzt auf das hochauflösende Röntgenmikroskop.
Von deutschen Hochschulen kommen besonders viele Nutzerinnen und Nutzer zu PETRA III: Allein in den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 3300 Teams von 73 Hochschulen PETRA III genutzt.

Ein Material-Forschungsteam kommt häufig vorbei: Die Arbeitsgruppe um das Wissenschaftlerpaar Natalia Dubrovinskaia und Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth hat einen einzigartigen Versuchsaufbau entwickelt, der an der „Extreme Conditions“-Experimentierstation von PETRA III implementiert ist.
Ihr Ziel: Unter hohem Druck und hoher Temperatur nach völlig neuen Materialien suchen.
Mithilfe einer Hochdruckkammer, Diamantstempelzellen und Laserpulsen gelingt es den Forschenden, Materialproben einem Druck von mehreren Millionen Atmosphären und Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius auszusetzen und gleichzeitig mit dem extrem intensiven und gebündelten Röntgenlicht von PETRA III zu beleuchten.

Anhand des Streumusters des Lichts, das die Kristalle des Materialprodukts beugen, lässt sich auf deren genaue Struktur schließen. Und nicht nur das: „Wir können auch die chemische Zusammensetzung der neuen Materialien analysieren“, sagt Natalia Dubrovinskaia.
Ziel solcher Experimente ist es, Hochenergiematerialien zu finden, die unter anderem die Antriebe in der Raumfahrt verbessern könnten, weil sie mehr Energie pro Volumen freisetzen als herkömmliche Treibstoffe.

Und die Forschenden müssen Wege finden, um solche unter Extrembedingungen entstandenen Materialien zu stabilisieren, sodass sie auch bei normalen Raumverhältnissen einsetzbar sind. Dazu müssen ihre Struktur und ihr Verhalten bei sich verändernden Bedingungen genau verstanden sein. Ein Beispiel sind Polyhydride, Verbindungen aus Metallen und Wasserstoff, die ungewöhnlich große Mengen an Wasserstoff enthalten und unter Extrembedingungen supraleitend werden können.
Ein anderes Beispiel sind Polynitride, in denen sich Stickstoffatome durch einfache Bindungen verketten. Beide Substanzen können sehr viel Energie speichern und auf Kommando – zum Beispiel durch Erhöhung des Drucks, der Temperatur oder eine chemische Reaktion mit einem anderen Gas – sehr schnell wieder freisetzen.
Unter den entstandenen Polynitriden fand die Gruppe bereits mehrere Verbindungen, die auch bei Raumtemperatur und Normaldruck stabil bleiben. In den Substanzen steckt großes Potenzial:
„Wer nach Treibstoffen für Reisen zum Mars sucht, sollte sich unter Polynitrid-Verbindungen umschauen.“

PETRA III hat die Suche nach neuen Materialien bereits enorm vorangebracht –
PETRA IV verspricht noch größere Fortschritte.
„PETRA III unterstützt unsere Forschung erheblich. Gleichzeitig wächst der Bedarf an immer anspruchsvollerer technischer Ausrüstung, um die Materialforschung voranzutreiben.“, sagt Leonid Dubrovinski.
„Durch den Einsatz modernster Technik erwarten wir spannende neue Erkenntnisse in der Hochdruckkristallographie und Materialwissenschaft.“

Wissenschaftliche Fachinformationen
- https://www.nature.com/articles/s41467-024-46313-9
- https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.202207469