01.06.2024

Tonminerale transportieren mehr Wasser ins Erdinnere als gedacht

Niemand weiß genau, wie viel Wasser das Erdinnere enthält. Von der Erdoberfläche bis zum Erdmittelpunkt sind es 6400 Kilometer, aber der tiefste Punkt, zu dem wir vordringen können, liegt bei nur 12 Kilometern, so dass die meisten Schätzungen über die Zusammensetzung des Erdmantels und -kerns auf Annahmen und Extrapolationen beruhen . Eine Studie eines Forschungsteams unter der Leitung von Yongjae Lee von der Yonsei-Universität in Südkorea, die an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III sowie in Pohang, Südkorea, und an der Advanced Photons Source am Argonne National Laboratory, USA, durchgeführt wurde, zeigt nun, dass Mineralien möglicherweise mehr Wasser in den tiefen Erdmantel tragen als bisher angenommen.

Grafik eines Subduktionsprozesses mit Darstellung von Mineralphasen und Wassergehalt im oberen und unteren Erdmantel.
Diese Abbildung zeigt, wie das in den Tonmineralen enthaltene Wasser durch Abbaureaktionen entlang der subduzierenden Platte in den unteren Erdmantel transportiert wird. Bild: DESY

Wasser hat Auswirkungen auf viele Eigenschaften des Erdinneren: zum Beispiel die Wärmetransport, Verformungsmechanismen, vulkanische und seismische Aktivität und vieles mehr. Diese Faktoren haben wiederum einen direkten Einfluss auf das Leben auf der Erde. Wenn wir genauer wissen, wie die Wasserverteilung auf der Erde begann und wie sie sich im Laufe der 4,6 Milliarden Jahre währenden Erdgeschichte verändert hat, könnte uns das Hinweise darauf geben, wie sie sich in Zukunft entwickeln wird.

Experimente an DESYs Synchrotronstrahlungsquelle PETRA III, PLS-II in Pohang, Südkorea, und der Advanced Photons Source am Argonne National Laboratory, USA, haben gezeigt, dass Sedimentminerale (oder Tominerale) von den Kontinenten den Wasserhaushalt des Erdinneren erheblich beeinflussen können. Die Studie wurde im Rahmen der Untersuchung zu Subduktionsprozessen durchgeführt, bei dem tektonische Platten in den Erdmantel verschoben werden, und dadurch den globalen Transport und die Verteilung von Wasser durch wasserhaltige Minerale beeinflusst.

Das Team von Wissenschaftler:innen unter der Leitung von Yongjae Lee von der Yonsei-Universität in Südkorea nutzte eine beheizte Diamant-Stempelzelle – ein Forschungsgerät, mit dem Material extrem hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt werden kann – und simulierte so den Weg, den Tonminerale in einer kalten Subduktionszone nehmen würden, also  eine tektonische Platte unter einer anderen tektonischen Platte im Erdmantel verschwindet. Während dieses Experiments untersuchten sie den Zerfall dieser Tonminerale im Detail. Die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass Tonminerale in subduzierenden Sedimenten für bis zu 22 % des gesamten in den unteren Erdmantel transportierten Wassers verantwortlich sind, was eine beträchtliche Menge ist und dazu beiträgt, die Frage zu klären, wie viel Wasser sich insgesamt im tiefen Erdinneren befinden könnte.

Wenn kontinentale Gesteine verwittern und sich zersetzen, verwandeln sie sich irgendwann in Tonminerale. "Tonminerale sind Schichtsilikate, die über Flüsse leicht in den Ozean transportiert werden und den obersten Teil der ozeanischen Platte ausmachen. Wenn diese Sedimente durch tektonische Bewegungen an die Ränder der Kontinente transportiert werden und durch den Subduktionsprozess ins Erdinnere abtauchen, sind sie erhöhten Drücken und Temperaturen ausgesetzt", erklärt Yoonah Bang, Hauptautorin und ehemalige Studentin an der Yonsei-Universität. Eines der wichtigsten Mineralien, das zu den Tonmineralen in den Sedimenten beiträgt, ist das aluminiumhaltige Silikatmineral Pyrophyllit (Al2Si4O10(OH)2). "Mit einer Druckzelle, die aus widerstandsbeheizten Diamantenstempeln besteht, können wir Drücke von bis zu 230.000 Atmosphären und Temperaturen von 900 Grad Celsius simulieren, um den Subduktionsweg nachzuahmen, den Pyrophyllit beim Abtauchen in den unteren Erdmantel nimmt", sagt Bang.

In kalten Subduktionszonen wie denen im Westpazifik verwandelt sich Pyrophyllit in einer Tiefe von etwa 135 Kilometern in die Minerale Gibbsit (Al(OH)3) und Diaspore (AlO(OH)). Während dieses Prozesses nehmen die Minerale Wasser aus der umgebenden hydratisierten Platte auf und transportieren es bis in eine Tiefe von 185 Kilometern. Von hier aus finden sequenzielle Umwandlungen in andere wasserhaltige Minerale statt, die schließlich die gleiche Menge Wasser, die ursprünglich im Pyrophyllit enthalten war, bis in eine Tiefe von 700 Kilometern in den unteren Erdmantel transportieren. "Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Rolle der Tonminerale während des Subduktionsprozesses genau zu verstehen", erklärt Y. Lee, der diese Arbeit geleitet hat. "Unsere Forschungen deuten darauf hin, dass Tonminerale wie Pyrophyllit im Laufe von 2,5 Milliarden Jahren etwa 2 bis 3 % des globalen Ozeanwassers in den unteren Erdmantel transportiert haben könnten."

"Die Ergebnisse tragen zum Gesamtverständnis des Wasserhaushalts der Erde im Laufe ihrer Geschichte bei", sagt Hanns-Peter Liermann, Leiter der Extreme Conditions Beamline P02.2 an PETRA III, wo ein Teil der Forschung durchgeführt wurde.

"Wenn wir wissen, wie viel Wasser durch Subduktion ins Erdinnere transportiert wird, können wir abschätzen, wie viel Wasser tatsächlich in der Mantelübergangszone und im unteren Erdmantel gespeichert sein könnte, und so die Schätzungen eingrenzen, die zwischen dem Vier- und Zwölffachen der in allen Ozeanen, Seen, Wolken usw. vorhandenen Wassermenge liegen", sagt Lee.

Frühere Studien haben nur gezeigt, dass in Mineralien enthaltenes Wasser während der Subduktion entweicht und zu Erdbeben und vulkanischer Aktivität führt. Diese Studie zeigt jedoch, dass einige Tonminerale wie Pyrophyllit Wasser in den unteren Erdmantel transportieren können, indem sie während des Subduktionsprozesses in Mantelminerale mit hoher Dichte umgewandelt werden, die eine größere Menge Wasser enthalten.

Dies deutet darauf hin, dass die Rolle der plattentektonischen Bewegung von wasserhaltigen Mineralen für das Verständnis und die Vorhersage der Verteilung von Wasser in der Erde und ihrer Entwicklung wichtig ist. Da der Erdmantel und der Erdkern selbst in ferner Zukunft für uns nicht zugänglich sein werden, kann das Erdinnere nur indirekt über solche Hochdruckmessungen erforscht werden.

Die Arbeiten wurden zum Teil durch Forschungsarbeiten im Rahmen des "Center for Molecular Water Science (CMWS)", einer Initiative von DESY, unterstützt.

 

Originalveröffentlichung:

A role for subducting clays in the water transportation into the Earth’s lower mantle, Bang, Y., Hwang, H., Liermann, HP. et alNature Communications 15, 4428 (2024) DOI: 10.1038/s41467-024-48501-z.

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