Andreas Maier erhält den Bjørn H. Wiik-Preis 2025
Ein Interview mit dem Plasmabeschleuniger-Experten und Preisträger
Er zählt zu den Weltbesten auf dem Gebiet der Laser-Plasmabeschleunigung: Andreas Maier, Physiker, seit 2020 bei DESY, seit 2022 Leitender Wissenschaftler. Ein Macher, für den ein Abstecher ins Laserlabor inspirierende „Quality Time“ ist. Ein Stratege mit Weitblick, der Visionen in messbare Ergebnisse übersetzt. In diesem Jahr gelangen ihm und seinem Team international viel beachtete Forschungserfolge – Gamechanger auf dem Weg zur Praxistauglichkeit der noch jungen Technologie; auch für DESYs Zukunftsprojekt PETRA IV. „Der Glaube an die Machbarkeit ist Voraussetzung für die Verwirklichung“, sagt Andreas Maier voller Überzeugung. Jetzt wird er mit DESYs wichtigstem Wissenschaftspreis, dem Bjørn H. Wiik-Preis ausgezeichnet. Ein Interview mit dem Preisträger:
Andreas Maier, woher kommt die Faszination für Laser-Plasmabeschleunigung?
Das begann im Physikstudium, vor mehr als 20 Jahren. Ursprünglich interessierte ich mich für Sterne, für die Astrophysik. Auf einer Exkursion zum Sternebeobachten nach Namibia lernte ich beim Spaziergang durch die Wüste einen Kollegen kennen, der mir erzählte, wie er Elektronen zum Surfen bringt und sie in einem Plasma auf hohe Energien beschleunigt. Das war damals am Max-Planck-Institut in München ein völlig neues Forschungsfeld. Ich fand das so spannend, dass ich mich drei, vier Jahre später dort beworben habe. Seitdem bin ich dem Thema verfallen.
Wie ging’s weiter?
Während meiner Promotion reiste ich 2009 mit einer Forschungsgruppe für ein Experiment zum LCLS nach Stanford, Kalifornien. Als einer, der Plasmabeschleuniger entwickelt, habe ich dort zum ersten Mal einen klassischen Beschleuniger, eine Usermaschine, in Aktion gesehen. Ich war total begeistert, wie sie funktioniert, und dachte sofort: Diese Konzepte müssen wir unbedingt auf die Plasmabeschleunigung übertragen. Ich muss dafür nur am richtigen Ort sein.
Und deshalb sind Sie nach Hamburg gegangen!
Direkt nach der Promotion 2012 bin ich an die Uni Hamburg auf den DESY-Campus gewechselt; wegen der Verbindung von Plasma- und konventioneller Beschleunigertechnologie. DESY weiß einfach, wie stabile Anlagen gebaut werden. Es war auf jeden Fall eine strategische Entscheidung – und ich bin geblieben.
Hat sich seitdem auf diesem Gebiet und für Sie persönlich viel getan?
Ich glaube, Menschen haben generell eine verzerrte Wahrnehmung von Zeit: Objektiv betrachtet ist der Fortschritt sehr, sehr schnell – es fühlt sich aber viel zu langsam an. Und ich persönlich hätte mir vor fünf Jahren nicht vorstellen können, wie mein Job heute aussieht, was das Aufgabenspektrum mit sich bringt. Allein der Fakt, in einer sehr kurzen Zeit eine relativ große Gruppe zu leiten, hat viel verändert.
Wie groß ist eigentlich Ihre Arbeitsgruppe?
Inklusive Studierender, Promovierender und Postdocs sind wir etwa 50 – eine sehr junge, dynamische Gruppe.
Im Zusammenhang mit der Laser-Plasmabeschleunigung fällt häufig das Wort „revolutionär“.
Auch eine Revolution braucht einen langen Atem. Ein erster wichtiger Schritt – ein Meilenstein für uns – war vor einigen Jahren der erste 24-Stunden-Betrieb eines Laser-Plasmabeschleunigers. Aber aktuell arbeiten wir eine langen Liste Hausaufgaben ab.
Noch ein großes Wort: „Meilenstein“. Sie und Ihr Team haben erstmals mit einem Laser-Plasmabeschleuniger stabile Elektronenpakete erzeugt, die ähnlich stabil wie die von modernen Radiofrequenz-Beschleunigern sind. Auch dafür erhalten Sie den Wiik-Preis 2025.
Diese Ergebnisse sind tatsächlich Meilensteine, wobei ich sagen muss: Wir haben sie erreicht, weil wir das Beste aus zwei Welten zusammengebracht haben: aus der konventionellen Beschleunigertechnologie und der Laser-Plasmabeschleunigung. Deshalb konnte es funktionieren.
Und damit steigt auch das Vertrauen in diese revolutionäre Technologie.
Genau das ist entscheidend! Mit unseren Ergebnissen senden wir die Botschaft: Es ist möglich, es kann funktionieren, wenn alle mit vollem Einsatz daran arbeiten – und es wirklich wollen. Das aktuell einsetzende Umdenken ist vielleicht der eigentliche Meilenstein. Denn: Der Glaube an die Machbarkeit ist Voraussetzung für die Verwirklichung. Dann beginnen Menschen auch, an der Umsetzung zu arbeiten.
Ihr Fokus liegt ja konsequent auf der Anwendung; auch ein Kriterium der Wiik-Preis-Jury. Wie nah dran ist die Technologie an der praktischen Nutzung wirklich, etwa als Injektor für DESYs Zukunftsprojekt PETRA IV?
Wir haben gezeigt, dass wir Plasmaelektronenstrahlen erzeugen können, die stabil genug für die mögliche Anwendung sind, etwa für die Injektion in einen Speicherring. Im nächsten Schritt wollen wir zeigen, dass wir mit den erzielten Ergebnissen auch tatsächlich Elektronen in den Speicherring einschießen können. Injektion in DESY II und weiter in PETRA III ist unser großes Ziel in den kommenden ein, zwei Jahren. Dafür müssen bei DESY bereichsübergreifend sehr viele Bausteine zusammenkommen. Wir brauchen die Unterstützung aus der Photonenforschung, von den Kolleginnen und Kollegen vom Maschinenbereich. Aber auch aus der Teilchenphysik helfen Kolleginnen und Kollegen mit. Wir wollen einmal demonstrieren, dass diese Technologie als Gesamtkonzept zuverlässig funktionieren kann. Daran arbeiten wir intensiv.
Sie haben garantiert eine starke innere Überzeugung – aber sicherlich auch viel Druck von außen...
Fußballtrainer Julian Nagelsmann sagte kürzlich in einem Interview: ‚Druck ist ein Privileg‘. Ich denke, wir haben gerade eine einmalige Chance, ernsthaft herauszufinden, was die Plasmabeschleunigung kann – und wo wir vielleicht noch nachbessern müssen. Genau das ist ja das Wesen der Physik. Wir machen Experimente, bewerten diese im Anschluss und denken die nächsten Schritte weiter. Wenn es einen Ort gibt, an dem die Umsetzung dieser Technologie in die Praxis gelingen kann, dann ist es DESY! Es liegt in der DNA des Beschleunigerbereichs, in der DNA von DESY, stabile Maschinen für Nutzer zu bauen.
(Der mit 3000 Euro dotierte Preis wird in Gedenken an den 1999 verstorbenen Vorsitzenden des DESY-Direktoriums, Bjørn H. Wiik, im Rahmen des DESY DAYs am 5. November 2025 vergeben)