11.09.2025

Rasanter Durchbruch: DESY-Team regelt erstmalig supraleitende Cavity mit Attosekunden-Genauigkeit

Präzision ist gar kein Ausdruck für das, was eine DESY-Beschleunigergruppe gerade nachgewiesen hat: Sie konnte die Beschleunigung in einem supraleitenden Resonator (Cavity) des TESLA-Typs auf 190 Attosekunden genau steuern – eine Attosekunde ist der milliardstel Teil einer milliardstel Sekunde! Die Demonstration, über die die Gruppe gerade im Fachjournal Physical Review Accelerators and Beams berichtet, ist ein Meilenstein für die Steuerung von Freie-Elektronen-Lasern (FEL) und kann insbesondere ultraschnellen Pump-Probe-Experimenten an FELs einen Schub versetzen.

Damit Freie-Elektronen-Laser wie der European XFEL extrem kurze und reproduzierbare Röntgenlaserblitze liefern können, müssen die Elektronenpakete, die diese Blitze erzeugen, eine herausragende Qualität und Homogenität haben. Die Hochfrequenzfelder, mit denen die Teilchen in den Beschleunigungsmodulen auf Trab gebracht werden, müssen dazu extrem stabil sein. Um sie zu kontrollieren und zu steuern, gibt es Feedback-Systeme, die die Beschleunigung „live“ messen. Ein Team der DESY-Gruppe Maschine-Strahlkontrolle (MSK) hat die Genauigkeit dieser Systeme gerade mit dem Vielfachen der bisherigen Genauigkeit zum Einsatz gebracht.

Das MSK-Team brachte dafür das Verfahren der Trägerunterdrückung (Carrier Suppression) zum Einsatz: Es unterdrückt das eigentliche Grundsignal der Schwingung – in diesem Fall die sehr leistungsstarke Beschleunigungsfrequenz von 1,3 Gigahertz (GHz) –, bevor das Signal gemessen wird. So erhöht sich die Genauigkeit, mit der die (wesentlich schwächeren) Fluktuationen dieses Signals gemessen werden können, um ein Vielfaches. „Man kann sich das vorstellen wie bei der Beobachtung der Sonne: Wenn ich vor die Sonne selbst eine Scheibe halte, kann ich die Corona oder Halo der Sonne viel detailreicher sehen, als wenn ich vom Hauptstrahl der Sonne geblendet werde“, sagt Frank Ludwig, Erstautor der Studie. In ihrem Experiment unterdrückte die Gruppe das zentrale Signal sogar in zwei Stufen.

Ein Team aus Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts steht in einer Forschungshalle vor einem Bauteil eines Teilchenbeschleunigers.
Präzise Truppe: Dieses Team hat eine Beschleunigercavity auf Attosekunden genau im Griff. Bild: DESY, Marta Mayer

Die Methode, die schon sehr lange existiert und von der Arbeitsgruppe über Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und in die Anwendung gebracht wurde, ist dabei so empfindlich, dass alle Bauteile der Steuerung hundertprozentig fixiert werden müssen. „Jedes kleine Flattern, Schwingen oder Wackeln eines Verbindungskabels würde sofort unsere Messung zerstören“, so Ludwig. Selbst thermische Einflüsse, beispielsweise durch Körperwärme, wenn man das Labor betritt, sind sofort in den Messignalen sichtbar.

Nach bisherigen Laboreinsätzen (siehe DESY News vom 02.09.22 „Rekord: DESY-Team misst elektronisches Rauschen besser als je zuvor“) ist es Ludwig und seinen Kollegen Matthias Hoffmann, Uros Mavric und Heinrich Pryschelski jetzt erstmals gelungen, das System im Realeinsatz zu betreiben. An DESYs Cryomodule Test Bench (CMTB) steuerten sie eine Cavity bei 1,3 GHz mit einer Zeitauflösung von 189 Attosekunden (0,000 000 000 000 000 189 s). „Damit steigen wir in die nächste Generation von Hochfrequenz-Regelungen mit Attosekunden-Auflösung ein, die derzeitige Systeme um mehr als Faktor 10 verbessert“, sagt Holger Schlarb, Leiter der Gruppe MSK und Letztautor der Veröffentlichung. „Das ist bei unseren Freie-Elektronen-Lasern besonders am Anfang des Beschleunigers wichtig, in dem wir durch gezielte Verschiebung der Beschleunigungswelle das Teilchenpaket formen und komprimieren.“

„Unser System liefert die notwendige zeitliche Auflösung, um künftig Experimente mit einer Präzision im einstelligen Femtosekunden- und sogar Attosekundenbereich zu ermöglichen“, sagt Ludwig. Das ist besonders interessant für Pump-Probe-Experimente, bei denen ein durch einen „Pump“laser angeregtes System während eines Prozesses abgebildet wird („probe“). Zum Vergleich: Die zeitliche Stabilität von 190 Attosekunden entspricht einer räumlichen Genauigkeit von unter 60 Nanometern, das sind etwa 160 Atomlagen aus Kupfer.

Wim Leemans, DESY-Direktor für den Beschleunigerbereich, gratuliert dem Team: „DESY ist der Ort, an dem die Kombination aus riesigen Instrumenten und höchster Präzision zu neuen Innovationen führt: Der aktuelle enorme Erfolg bietet die Grundlage, um Röntgenlaser in den Attosekundenbereich zu bringen, um die Nanowelt noch zuverlässiger und präziser zu untersuchen.“ Die Anwendung des Verfahrens ist aber nicht nur ein Fortschritt für den Betrieb von Teilchenbeschleunigern, sondern verspricht eine ganze Bandbreite von Anwendungen, unter anderem auch höhere Datendichten in der Telekommunikation. „Die Methode der Trägerunterdrückung erweitert bisherige konventionelle Hochfrequenz-Detektoren und wird auch in der zukünftigen Messtechnik, Selektion und Produktion von Hochfrequenz-Bauelementen einen enormen Technologieschub ermöglichen, der breite industrielle Anwendung finden wird“, ist Schlarb überzeugt.

Originalveröffentlichung

F. Ludwig et al., „RF controls based on carrier suppression detection with attosecond resolution“, Phys. Rev. Accel. Beams 28, 072803 (2025)

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