Solarjacke statt Steckdose
Internationales Forschungsteam schafft neuen Effizienzrekord bei flexiblen Solarzellen
Ob an der Jacke, auf dem Autodach oder in der Fassade von Gebäuden: Ein neuer Solarzellen-Typ soll Strom überall dort erzeugen, wo es mit herkömmlichen Modulen schwierig ist. Auf dem Weg dorthin ist eine internationale Kooperation unter DESY-Beteiligung nun ein gutes Stück nähergekommen: Das Forschungsteam konnte eine spezielle Variante – die Perowskit–Organik-Tandemzelle – weiterentwickeln und einen neuen Effizienz-Rekord erzielen: Sein Prototyp schafft einen Wirkungsgrad von 26,4 Prozent, kann also 26,4 Prozent der einfallenden Lichtenergie in Strom umwandeln. Die Arbeitsgruppe stellt ihre Resultate im renommierten Fachjournal Nature vor.

Auf unseren Hausdächern finden sich Silizium-Solarzellen – sie sind bewährt und millionenfach im Einsatz. Doch Silizium fängt nur einen Teil des Sonnenlichts ein: vor allem den sichtbaren Bereich. Andere Wellenlängen, etwa im nahen Infrarot, bleiben ungenutzt. Hier setzt das Tandem-Prinzip an: Zwei Materialien, die jeweils unterschiedliche Wellenlängen einfangen, werden übereinandergestapelt und nutzen gemeinsam ein breiteres Spektrum – von ultraviolett bis infrarot. Zellen, die neben Silizium sogenannte Perowskit-Halbleiter verwenden, gibt es bereits seit kurzem zu kaufen und besitzen überdurchschnittlich hohe Wirkungsrade.
Ihr Nachteil: Ebenso wie klassische Silizium-Module sind sie relativ schwer und starr. Deshalb forscht die Fachwelt an einer neuen Tandem-Variante. Bei ihr wird das Perowskit mit einer dünnen Schicht eines organischen Halbleiters kombiniert – quasi eine Solarzelle aus Plastik. „Solche Perowskit-Organik-Tandemzellen kombinieren das Beste aus zwei Welten“, erklärt DESY-Forscher Stephan Roth: „Durch die Verwendung zweier Materialien erzeugen sie hocheffizient Strom, und durch die Nutzung des organischen Halbleiters können sie flexibel und biegsam sein."
Neues Molekül für mehr Strom
Bei den bisherigen Prototypen jedoch schöpft die untere organische Schicht das infrarote Licht bislang nur unzureichend aus. Konkret müssen zwei funktionale Bestandteile, die Elektronen abgeben, bzw. aufnehmen – Donor und Akzeptor genannt – so angeordnet sein, dass sie klar getrennt, aber eng genug verzahnt sind, um möglichst effizient zusammenzuarbeiten. Hier setzte das Team unter Federführung der Universität Singapur an und entwickelte ein neues Akzeptor-Molekül. Das Ziel: Es soll besser mit dem Donor zusammenarbeiten als bei früheren Prototypen – und damit helfen, einfallendes Infrarotlicht effizienter in Strom umzuwandeln.
Mit dem neuen Molekül stellten die Fachleute einen quadratzentimetergroßen Prototyp im Spin-Coating-Verfahren her – ein gängiges Labormodell für die Verarbeitung dünner Filme. Um herauszufinden, ob dieser Kandidat die passende molekulare Ausrichtung in der organischen Schicht zeigt, wurde der Prototyp an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III sowie am Synchrotron in Taiwan untersucht. Das Resultat: „Mit einem speziellen Röntgenverfahren konnten wir erkennen, dass sich die Moleküle nebeneinandergelegt haben, statt hochkant zu stehen“, erklärt Roth. „Und das ist für den Ladungstransport sehr vorteilhaft."
Außerdem zeigte sich, dass die Herstellung der Probe in Singapur überaus gut gelungen war – die kleine Prototyp-Zelle zeigte eine sehr gleichmäßige innere Struktur, die Materialien waren ohne Klümpchen oder Störungen fein verteilt. Mit einer zertifizierten Effizienz von 26,4 % gehört die Zelle zur Spitze aktueller Solarzellentechnologien – und übertrifft viele siliziumbasierten Module. Der Rekord wurde von einem unabhängigen Labor bestätigt.
Biegsam und vielfältig
Doch die neue Tandemzelle ist nicht nur effizient, sondern auch leicht, biegsam und vielseitig. Stephan Roth sieht großes Potenzial auf gekrümmten Flächen – etwa an Fassaden, auf Autodächern oder sogar in Textilien. So könnte eine Jacke mit eingearbeiteten Perowskit–Organik-Tandemzellen das Smartphone unterwegs laden – sogar bei diffusem Licht oder im Schatten. Denn dank der hohen Infrarot-Empfindlichkeit könnte eine solche Zelle auch bei Innenbeleuchtung funktionieren.
Doch bis zur Marktreife gilt es noch einige Herausforderungen zu meistern: Die Produktion muss auf größere Flächen skaliert werden. Bisher funktioniert das Spin-Coating nur für kleine Proben, die Fachleute denken an Alternativen wie die Sprühbeschichtung. Auch Haltbarkeit und Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Organische Materialien sind empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Sauerstoff, die Kapselung ist daher entscheidend. Zudem arbeiten die Forschenden an der Verwendung umweltfreundlicher Lösemittel und an Recyclingstrategien für die verschiedenen Komponenten einer solchen Perowskit-Organik-Zelle.
Ein DESY-Zukunftsprojekt soll bei der Weiterentwicklung der Technologie helfen: Die geplante Röntgenlichtquelle PETRA IV könnte weitaus präzisere Einblicke in die Funktionsweise von Solarzellen ermöglichen – etwa durch zeitaufgelöste Studien zur Alterung der Materialien. „PETRA IV würde es uns erlauben, den kompletten Lebenszyklus einer Solarzelle in Echtzeit zu beobachten“, schwärmt Stephan Roth, „von der Herstellung über den Betrieb bis zum Recycling."
Originalveröffentlichung
Z. Jia, X. Guo, X. Yin, M. Sun, J. Qiao, X. Jiang, X. Wang, Y. Wang, Z. Dong, Z. Shi, C.-H. Kuan, J. Hu, Q. Zhou, X. Jia, J. Chen, Z. Wei, S. Liu, H. Liang, N. Li, L. K. Lee, R. Guo, S. Roth, P. Müller-Buschbaum, X. Hao, X. Du & Y. Hou: Efficient near-infrared harvesting in perovskite-organic tandem solar cells, Nature, 2025, DOI 10.1038/s41586-025-09181-x