Wenn Symmetrie in der Nanowelt bricht
Nanoporen erschließen verborgene Chiralität in exotischen Flüssigkristallen. Mit den aktuellen Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams könnten sie noch breitere Anwendung in der Energiespeicherung oder -umwandlung oder in abstimmbaren optischen Linsen finden.
Einige der interessantesten Phänomene in der Physik entstehen, wenn perfekte Symmetrien verletzt werden. Dieses Prinzip, bekannt als spontane Symmetriebrechung, liegt vielem zugrunde, vom Higgs-Mechanismus, der Teilchen ihre Masse verleiht, bis hin zur Windung der DNA und der Händigkeit von Muscheln. Forschende haben nun eine besonders faszinierende Ausprägung dieses Phänomens in Flüssigkristallen entdeckt – weichen Materialien, die wie Flüssigkeiten fließen, aber eine molekulare Ordnung wie Feststoffe aufweisen. Wahrscheinlich lesen Sie diesen Artikel mit Hilfe von Flüssigkristallen, da Computerbildschirme und Smartphones oft deren besondere optischen Eigenschaften nutzen. Mit den aktuellen Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams könnten sie noch breitere Anwendung in der Energiespeicherung oder -umwandlung oder in abstimmbaren optischen Linsen finden.

Es gibt verschiedene Arten von Flüssigkristallen: „normale“ mit einem stäbchförmigen Molekülkern und solche mit einer gebogenen Form. Ihre asymmetrische, bananenähnliche Form ermöglicht es ihnen, sich zu chiralen Superstrukturen zusammenzufügen – Spiralen mit links- oder rechtsdrehender Struktur –, obwohl die Moleküle selbst nicht chiral sind. Chiralität bedeutet „Händigkeit“: Ein Objekt ist chiral, wenn es nicht mit seinem Spiegelbild überlagert werden kann, so wie Ihre linke und rechte Hand Spiegelbilder sind, aber nicht identisch. Dieses spontane Auftreten von Händigkeit, gepaart mit anderen ungewöhnlichen Eigenschaften wie sehr großer Flexoelektrizität und starken elektrooptischen Kopplungen, macht sie vielversprechend für fortschrittliche Anwendungen in den Bereichen Energieumwandlung, adaptive Optik und reaktionsfähige Nanosysteme.
Ein internationales Team aus Wissenschaftler:innen aus der Ukraine, Frankreich, Polen und Deutschland hat diese exotischen Moleküle in Poren von nur milliardstel Metern Breite eingeschlossen und beobachtet, wie sie sich anordnen. Sie fanden heraus, dass diese räumliche Beschränkung einen massiven Einfluss auf das Verhalten der Flüssigkristallmoleküle hat. Das Team untersuchte das bananenförmige Molekül CB7CB, das in anodischem Aluminiumoxid (AAO) und Siliziumdioxidmembranen eingeschlossen war. Ihre präzise konstruierten zylindrischen Nanokanäle reichten von wenigen Nanometern bis zu mehreren hundert Nanometern. Mithilfe hochauflösender Polarimetrie zur Untersuchung ihrer optischen Anisotropie, einem Maß dafür, wie ein Material Licht in Abhängigkeit von der Lichtrichtung und dem Zustand seiner Polarisation beeinflusst, zeigte das Team, wie die bloße Geometrie die Auswirkungen angelegter elektrischer Felder nachahmen kann. Ein Material, das Nanoporen enthält, kann somit denselben Effekt erzielen wie eine elektrische Ladung: Es treibt Phasenübergänge voran und verändert die molekulare Ordnung. Sie präsentieren ihre Arbeit in der Fachzeitschrift SMALL.
Oberhalb einer bestimmten Porengröße bildet das CB7CB eine Helix. Als die Poren jedoch kleiner wurden, brach die Freiheit für eine solche Ordnung zusammen: Es blieb nur noch ein nicht chiraler Zustand übrig. Der Übergang wurde mit Hilfe eines Lasers verfolgt. „Wir zeigen, dass wir die photonischen Eigenschaften von Flüssigkristallen manipulieren können“, sagt Patrick Huber von DESY und der Technischen Universität Hamburg, einer der korrespondierenden Autoren der Arbeit. „Im Moment handelt es sich in erster Linie um wissensorientierte Forschung, aber das Potenzial dieser Technologie ist groß.“
„Indem wir bananenförmige Flüssigkristalle in nanoskalige Poren einfüllten, konnten wir nicht nur aufzeigen, wie die geometrische Begrenzung Chiralität und Ordnung induziert oder unterdrückt, sondern auch eine starke Parallele zur elektrooptischen Kopplung entdecken“, sagt Huber. „Dies eröffnet neue Wege für die Entwicklung von nanofluidischen Geräten, Sensoren und adaptiven optischen Systemen, die die Symmetriebrechung in weicher Materie nutzen“, fügt Erstautor Andriy Maksym, Doktorand an der Technischen Universität von Lviv (Ukraine), hinzu.
„Letztendlich zeigt unsere Forschung, wie geometrische Beschränkung auf der Nanoskala als eine neue Art von ‚Feld‘ wirkt, das es uns ermöglicht, die Selbstorganisation, Chiralität und damit das optische Verhalten von Flüssigkristallen systematisch zu manipulieren“, sagt Andriy Kityk von der Technischen Universität Czestochowa in Polen. „So wie spontane Symmetriebrechungen zu einer neuen Physik im frühen Universum geführt haben, versprechen sie hier die Entwicklung von Funktionsmaterialien der nächsten Generation auf der Nano-Ebene.“
Originalveröffentlichung
A. Z. Maksym, A. S. Andrushchak, Y. Shchur, et al. “Self-Assembly of Bent-Core Nematics in Nanopores.” Small (2025): e06651