20.11.2025

Verborgene Bereiche in Lymphknoten

Wie Immunstress und Alter Lymphknoten formen: Neue Strukturen verraten Anpassung an Dauerbelastung

Mit einem hochauflösenden Röntgenverfahren an der Hereon-Beamline der Röntgenlichtquelle PETRA III hat ein interdisziplinäres Team unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums Hereon neuartige Strukturen im Lymphsystem von Säugetieren sichtbar gemacht. Die 3D-Aufnahmen enthüllen kleine, bislang übersehene Ansammlungen ruhender Abwehrzellen – sogenannte Noduli – die vermutlich eine wichtige Rolle für das grundsätzliche Funktionieren des Immunsystems spielen. Die Ergebnisse erweitern das Verständnis darüber, wie Lymphknoten aufgebaut sind und wie sie Immunzellen steuern. Die Studie erschien jüngst im Fachmagazin Frontiers in Immunology.

Unser Immunsystem steht fortlaufend auf Abruf: Um Krankheitserreger abzuwehren, aktiviert es Antikörper, weiße Blutkörperchen und Fresszellen. Doch trotz intensivster Forschung sind viele Einzelheiten über seinen Aufbau und seine Funktionsweise unklar. Dank eines neuen hochmodernen Röntgenverfahrens, entwickelt unter Mitwirkung des Hereon-Instituts für Werkstoffphysik und dem Institut für Biomedizinische Bildgebung der Technischen Universität München (TUM) konnte ein Forschungsteam an der von Hereon an PETRA III betriebenen Beamline P05 bei DESY nun ein neues Detail enträtseln: Bei Mäusen entdeckten die Fachleute in einer bestimmten Art von Lymphknoten bis dato unbekannte Reservoirs an ruhenden Abwehrzellen des Immunsystems.

 

Farbige 3D-Darstellung eines Mikroskopbildes eines Mäuselymphknotens
3D Rekonstruktion vom strukturellen Aufbau der Lymphbahnen, Blutgefäße und Zellbereiche eines mandibulären Mäuselymphknotens. Er zeigt die räumliche und strukturelle Trennung der Noduli (Magenta) mit den bereits bekannten B-Zell Follikeln (Minzgrün). Korrelative Bildgebungsmethoden zeigen dabei die Ultrastruktur der dicht gepackten B-Zellen und deren Umgebung durch lockeres Gewebe des Marks und der Marksinusse. Ebenso wie die B-Zell Follikel sind auch die Noduli von speziellen hoch endothelialen Venolen umgeben, wie die Immunfluoreszenzfärbung spezifisch für diese Venolen zeigt (Weiß). Bild: INI Research/ Paul Schütz

Grundlage für die Entdeckung war ein spezielles CT-Verfahren – die Phasenkontrast-Mikrotomographie. „Mit dieser Methode haben wir die Möglichkeit, die dreidimensionale Struktur von biologischem Gewebe bis auf zelluläre Ebene direkt zu beobachten, ohne zusätzliche Farbstoffe oder Marker verwenden zu müssen“, sagt Dr. Jörg Hammel, Biologe an der Hereon-Außenstelle bei DESY in Hamburg.

Unerfahrene Immunzellen

„Wir bezeichnen diese von uns gefundenen Ansammlungen von B-Zellen als Noduli“, erklärt Florian Schwarzenberg, einer der beiden Erstautoren der Publikation. „Diese Zellen scheinen noch unerfahren zu sein und keinen Kontakt mit Krankheitserregern gehabt zu haben.“ Anders als die sogenannten B-Zell-Follikel – das sind ähnliche, aber deutlich größeren Strukturen – zeigen die Noduli keine Anzeichen für aktive Immunreaktionen. Allerdings sind sie ebenso wie die Follikel eng mit speziellen Blutgefäßen verbunden, über die Immunzellen ins Gewebe hineingelangen können. Dies konnte das Team von Dr. Stephan Henne von der Arbeitsgruppe für Interdisziplinäre Neurobiologische Immunologie (INI-Research GmbH) mithilfe von Röntgenaufnahmen, Elektronenmikroskopie und speziellen immunhistochemischen Analysen sichtbar machen.

Reaktion auf permanenten Erregerstress

Die Noduli entstehen meist zwischen der zweiten und vierten Lebenswoche von Mäusen. Sie sind ausschließlich in Lymphknoten zu finden, die mit Schleimhäuten assoziiert sind. Ihre Häufigkeit scheint mit dem Alter deutlich zuzunehmen. Die Daten sprechen dafür, dass die nun entdeckten Ansammlungen von B-Zellen keine krankhaften Veränderungen, sondern spezialisierte Nischen für B-Zellen darstellen. Offenbar sorgen sie für eine dauerhafte Immunbereitschaft und tragen dazu bei, die Funktionsweise und Struktur der Lymphknoten langfristig stabil zu halten. Außerdem vermuten die Fachleute, dass sie besonders in Bereichen auftreten, die konstant mit Fremdstoffen und Krankheitserregern belastet sind – etwa in den Schleimhäuten zugehörenden Lymphknoten.

Neues Verständnis der Lymphknoten-Architektur

Die Ergebnisse zeigen, dass bestimmte tiefer liegende Lymphknoten im Körperinneren anders aufgebaut sind als die oberflächlichen Lymphknoten unter der Haut. Diese tiefliegenden Knoten enthalten spezielle Bereiche, die vermutlich wichtig dafür sind, wie das Immunsystem die B-Zellen steuert und in Balance hält. Außerdem konnten die Forschenden beobachten, dass diese Lymphknoten im Alter immer mehr dieser B-Zell-Bereiche bilden, statt typische Fetteinlagerungen zu entwickeln. Dies deutet darauf hin, dass sie gerade im Alter eine entscheidende Rolle bei der Überwachung und Regulierung des Immunsystems spielen.

 

Originalveröffentlichung und weiterführende Links

Dies ist eine Pressemitteilung des Forschungszentrums Hereon.

Originalveröffentlichung: 

Schütz Paul , Schwarzenberg Florian L. , Weber Lennert J. , Hammel Jörg U. , Siebels Bente , Nissen Paula , Leising Nenya , Jarick Katja J. , Walkenfort Bernd , Irvine Sarah C. , Bartl Jasmin , Herzen Julia , Lohr Christian , Wülfing Clemens , Henne Stephan, „Follicle-like niches outside the cortex? 3D phase-contrast µCT revealed medullary B cell nodules in mucosa-draining lymph nodes”, Frontiers in Immunology Volume 16 - 2025, DOI=10.3389/fimmu.2025.1674997

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