Plasma-Linsen eröffnen neue Möglichkeiten für ultraschnelle Experimente
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Max-Born-Institut und DESY haben gemeinsam eine neuartige Optik entwickelt, die sich besonders für Attosekunden-Experimente eignet
Attosekundenexperimente – ein nobelpreiswürdiges Forschungsfeld – könnten durch eine neuartige Idee aus der Plasmabeschleunigerforschung einen weiteren Schub erhalten. Lichtimpulse mit einer Dauer von einer Milliardstel Milliardstel Sekunde sind die Grundlage für Attosekunden-Experimente, mit denen die Bewegungen von Elektronen verfolgt werden können. Doch diese Lichtblitze sind schwer zu fokussieren. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von DESY und dem Max-Born-Institut (MBI) in Berlin hat nun eine flexible Lösung entwickelt: eine Linse aus Plasma – einem hochenergetischen Materiezustand, der auch in Blitzen oder auf der Sonnenoberfläche vorkommt. Die daraus resultierende Anordnung, die das Team in Nature Photonics beschreibt, fokussiert nicht nur die Attosekundenblitze ohne nennenswerte Absorption, sondern hat auch nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf ihre Dauer. Die Ergebnisse ermöglichen potenziell ein breiteres Spektrum an Attosekunden-Experimenten, die nicht nur für das Verständnis der Bewegung von Elektronen in neuartigen und komplexen Materialien nützlich sind, sondern auch für die Aufklärung der elektronischen Ursachen chemischer Reaktionen, die in industriellen und pharmazeutischen Prozessen eine Rolle spielen.
Die Attosekundentechnologie ist die neueste Entwicklung im Bereich ultraschneller Methoden und Experimente. Lichtpulse mit einer Dauer von einer Attosekunde werden nicht nur für experimentelle Zwecke verwendet, sondern auch, um die Plasmabeschleunigung in miniaturisierten Beschleunigermodulen zu initiieren. Das Fokussieren der dafür nötigen Lichtpulse im extremen Ultraviolett- oder Röntgenbereich stellt Forschende allerdings vor große Herausforderungen, da geeignete Optiken fehlen. „Um einen Puls von nur 100 Attosekunden zu erzeugen, braucht man einen sehr großen Bereich an Wellenlängen oder Lichtfarben“, erklärt DESY-Forscher Jonathan Wood, Mitautor der Studie. „In einer herkömmlichen Linse bewegen sich unterschiedliche Farben mit verschiedenen Geschwindigkeiten, sodass sich der Blitz zeitlich ausdehnt.“ Hinzu kommt, dass die Elektronen in den Atomen der Linse selbst einen Teil des Lichts absorbieren, wodurch weniger Photonen den eigentlichen Experimentierbereich erreichen – mit Folgen für die Messgenauigkeit. „Je mehr Photonen man hat, desto mehr Details erhält man in seinem Experiment. Diese Veränderungen haben also große Auswirkungen darauf, was man bei der Diagnose des Signal-Rausch-Verhältnisses erreichen kann“, sagt Wood.
Die Lösung von DESY und MBI: Plasma zu einem Fokussierelement formen. Die Forschenden verwendeten einen Attosekunden-Aufbau basierend auf dem, die den Plasma-Beschleuniger im FLASHForward-Projekt bei DESY antreibt. Um die Plasma-Linse zu erzeugen, schickten sie starke elektrische Pulse durch Wasserstoffgas in einem dünnen Röhrchen innerhalb eines Saphirblocks. Dieser Prozess entzieht den Wasserstoffatomen ihre Elektronen und erzeugt so ein Plasma. Die Elektronen bewegen sich auf natürliche Weise nach außen zu den Rändern des Röhrchens, wo die Temperatur erheblich niedriger ist, und formen dabei das Plasma zu einer konkaven Linse. Normalerweise würde eine solche Linse das Licht eher streuen als bündeln. Da Plasma Licht aber anders als gewöhnliche Materialien beugt, bündelt es stattdessen die Attosekundenpulse.
Darüber hinaus zeigen die Forschenden, dass der Fokus der Linse durch Veränderung des Gasdrucks und damit der Plasmadichte eingestellt werden kann. Insbesondere hat das Team herausgefunden, dass die Plasmalinse als wirksamer Filter für die infraroten Antriebspulse dient, für die normalerweise dünne Metallfilter erforderlich sind. Das bedeutet, dass diese Filter nicht mehr benötigt werden, sodass mehr XUV-Licht für das Experiment zur Verfügung steht. Dies könnte die Erzeugung stärkerer Attosekundenimpulse ermöglichen und neue Möglichkeiten für Experimente eröffnen, die derzeit durch eine geringe Anzahl von Photonen begrenzt sind.
„Die Technik bietet einen alternativen Ansatz für den Aufbau einer Attosekunden-Strahlführung, der sich durch einfache Ausrichtung, Wellenlängenabstimmbarkeit und vor allem hohen Durchsatz auszeichnet“, sagt Erstautor Evaldas Svirplys, Doktorand am MBI. „Die Möglichkeit, stärkere Attosekundenblitze zu erzeugen, eröffnet eine Vielzahl potenzieller Anwendungen in der ultraschnellen Spektroskopie und könnte zur Entwicklung der nächsten Generation von Attosekundenlichtquellen beitragen.“
Um besser zu verstehen, wie sich die fokussierten Attosekundenpulse im Laufe der Zeit verhalten, führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Computersimulationen durch. Sie stellten fest, dass sich die Pulse nach der Fokussierung durch die Plasmalinse nur geringfügig von 90 auf 96 Attosekunden ausdehnen. Unter realistischeren Bedingungen – bei denen verschiedene Farben des ursprünglichen Attosekundenpulses zu leicht unterschiedlichen Zeitpunkten eintreffen (ein Phänomen, das als „Chirp“ bezeichnet wird) – verkürzte die Plasmalinse die Pulse sogar. In diesem Fall verringerte sich die Pulsdauer von 189 auf 165 Attosekunden.
„Dies ist eine erste Demonstration, aber die Ergebnisse sind vielversprechend genug, dass dies bald auf Attosekunden-Experimente angewendet werden könnte“, sagt Wood. „“Diese Art der Zusammenarbeit zwischen uns und dem MBI ist wirklich großartig.“
„Ergebnisse wie diese zeigen, dass Technologien, die für und in Verbindung mit Plasmabeschleunigern entwickelt wurden, weit über die eigentliche Beschleunigerzelle hinausreichende Auswirkungen haben – die Plasmalinse könnte für zukünftige Attosenkunden-Experimente im Bereich Forschung mit Photonen außerordentlich nützlich sein“, sagt DESY-Beschleunigerdirektor Wim Leemans. „Dies bestätigt einmal mehr den revolutionären Charakter der Plasmabeschleunigertechnologien und dass DESY an der absoluten Spitze der Entwicklungen in der Beschleunigertechnologie sowie der Ultrakurzwellenphysik steht.“
Originalveröffentlichung
E. Svirplys et al., "Plasma lens for focusing attosecond pulses", Nature Photonics, 2025.