27.11.2025

Quetschlicht vom Chip

DESY-Team erzeugt Quantenzustände mit miniaturisierter Photonik

Es klingt paradox: Licht lässt sich quetschen, um es für künftige Quantentechnologien zu nutzen. Meist braucht es dafür aufwändige Laborapparaturen. Doch einer Arbeitsgruppe am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY ist es nun gelungen, eine Quelle für gequetschtes Licht auf einem mikrochipgroßen Bauteil zu realisieren. Sie basiert auf einem winzigen, nanostrukturierten Ring, der als Resonator fungiert. Die Entwicklung ist ein wichtiger Beitrag für die Industrialisierung möglicher Schlüsseltechnologien, zum Beispiel einem abhörsicheren Quanteninternet oder superschnellen Quantencomputern.

Makroaufnahme eines mikroelektronischen Chips mit goldfarbenen Kontakten und feinen Drahtverbindungen.
Diese miniaturisierte Photonik ist ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zur superschnellen Quantencomputern und oder zum Quantuminternet. Bild: Tobias Herr, DESY

Mit Laserlicht lassen sich ungewöhnliche Dinge anstellen. So lässt es sich quetschen – zwar nicht buchstäblich, aber in übertragenem Sinne, als eine Konsequenz der Quantenphysik. Denn ähnlich wie Atome und Moleküle gehorcht auch Laserlicht den Regeln der Quantenmechanik. Dazu zählt das Unschärfeprinzip, formuliert von Werner Heisenberg. Es besagt unter anderem, dass sich die Amplitude und die Phase von Laserlicht nie gleichzeitig präzise messen lassen. Während die Amplitude mit der Helligkeit des Lichtstrahls zusammenhängt, ist die Phase eine Art Zeitstempel, der besagt, wo sich die Welle gerade in ihrem Schwingungszyklus befindet.

Für gewöhnlich zeigt Laserlicht gleichviel Quantenunschärfe in der Amplitude und in der Phase. Doch mittels raffinierter Labortechnik lässt sich die Unschärfe einer der beiden Größen reduzieren, etwa der Phase. Durch diese Lichtquetschung erhöht sich dann die mögliche Messgenauigkeit. Zwar steigt damit automatisch die Unschärfe der anderen Größe, in diesem Fall der Amplitude. Doch für Anwendungen, bei denen es auf die Phase der Schwingung ankommt, ist das nicht relevant. Eingesetzt werden solche Lichtzustände bereits bei Gravitationswellen-Detektoren. Hier erhöhen sie die Messempfindlichkeit der kilometergroßen Anlagen erheblich.

Bislang werden diese Zustände jedoch meist mit komplexer Labortechnik auf großen optischen Tischen erzeugt. Das DESY-Team um Tobias Herr und Alexander Ulanov hat nun eine neue und besonders einfache Methode gefunden, mit der sich gequetschtes Licht auf einem photonischen siliziumbasierten Chip erzeugen lässt– und das mit einer für solche Systeme bislang unerreichten Qualität: Mit 7,8 Dezibel (dB) liegt das erzeugte Quetschlicht nah an der für viele Quantenanwendungen notwendigen Schwelle von etwa 10 dB.

Im Zentrum der Entwicklung steht ein mikroskopisch kleiner Lichtring, ein sogenannter Mikroresonator, mit nur 150 Mikrometern Durchmesser. Das entspricht etwa dem Durchmesser eines menschlichen Haars. In diesen Ring wird Laserlicht eingespeist, das durch gezielte nichtlineare Effekte gequetschte Lichtzustände erzeugt. Der Trick: „Wir haben die Innenwand des Resonators mit einem wellenförmigen Nanomuster versehen“, erklärt Ulanov. „Sie sorgt dafür, dass unerwünschte Lichtprozesse unterdrückt werden, die ansonsten das Quetschlicht stören würden.“ Es ist vergleichbar mit einem Orchester, bei dem man nur bestimmte Töne hören will und dafür andere, unerwünschte zum Schweigen bringen muss.

Mithilfe von Simulationen und einem eigens entwickelten Korrekturverfahren zur Berücksichtigung von Fertigungsungenauigkeiten konnte das Team die Struktur immer weiter optimieren. „DESYs Computerressourcen haben es uns ermöglicht, die aufwändigen Simulationen durchzuführen“, betont Alexander Ulanov. „Und für unsere Experimente konnten wir die hochmodernen Labore auf dem Campus nutzen.“

Anders als frühere Laborlösungen wurde der Chip in einem kommerziellen Halbleiterprozess hergestellt – mit derselben Technik, mit der auch die Prozessoren von Computern gefertigt werden. „Das ist entscheidend für die Skalierbarkeit“, erklärt Tobias Herr. „Wir reden hier nicht mehr über Einzelstücke aus dem Reinraum, sondern über eine Technologie, die zur Massenfertigung taugt.“ Möglich wurde das durch einen Trick: Das Design des Musters wurde absichtlich verzerrt, sodass die unvermeidlichen Unschärfen im Fertigungsprozess zum gewünschten Ergebnis führen.

Die erzeugten Lichtzustände sind zentrale Bausteine für verschiedene Quantenanwendungen: vom Quantencomputer über das Quanteninternet bis hin zu neuen Messverfahren mit bisher unerreichter Präzision. Die verwendete Plattform, basierend auf Siliziumnitrid ist verlustarm und kann im Prinzip mit weiteren Komponenten kombiniert werden, etwa mit integrierten Lasern oder Detektoren „Wir sehen hier nicht nur einen Durchbruch in der Forschung, sondern auch einen echten Schritt Richtung Anwendung“, sagt Tobias Herr. Das Team arbeitet bereits daran, die Quetschleistung auf über 10 dB zu steigern – ein Wert, der für viele Quantencomputer-Protokolle als Schwelle gilt.

 

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