Herwig Schopper 1924-2025
DESY und die Physikwelt trauern um einen großen Wissenschaftler, Wissenschaftsmanager, Diplomaten und Visionär. Der Physiker und ehemalige DESY- und CERN-Generaldirektor Herwig Schopper ist am 19. August im Alter von 101 Jahren in Hamburg verstorben.
„Wir haben einen Giganten verloren“, sagt die Vorsitzende des DESY-Direktoriums Beate Heinemann. „Mit seiner Vision einer Wissenschaft ohne politische Grenzen, um die Welt besser zu verstehen, hat Herwig die Physiklandschaft in Europa und in Deutschland geprägt wie kaum ein anderer. So hat er auch für DESY den Weg zu dem internationalen Forschungszentrum bereitet, das es heute noch ist. Wir sind unendlich dankbar für die vielen Projekte und Beschleuniger, deren Genehmigung und Bau er erreicht hat. Unser ganzes Mitgefühl gilt seinen Angehörigen.“
Herwig Schopper wurde im Jahr 1924 in Landskron in der Tschechoslowakei geboren und kam nach dem zweiten Weltkrieg nach Hamburg, wo er sein Physikstudium aufnahm. Nach seinem Diplom promovierte er in der Hansestadt und lernte hier auch seine Frau kennen. Seine wissenschaftliche Karriere setzte er an verschiedenen Forschungseinrichtungen zum Beispiel in Stockholm (als Postdoc von Lise Meitner), Cambridge, Erlangen und Karlsruhe fort, bevor er im Jahr 1973 nach Hamburg zurückkehrte, um bei DESY die Nachfolge von Wolfgang Paul anzutreten.

Von 1973 bis 1980 war er Vorsitzender des Direktoriums von DESY. In seine Amtszeit fallen so wichtige Meilensteine wie die Inbetriebnahme des DORIS-Beschleunigers und der Bau und die Inbetriebnahme des PETRA-Rings. Er war damit Wegbereiter für die Entdeckung des Gluons an PETRA im Jahr 1979 und der Beobachtung der Vermischung von B-Mesonen mit ihren Antiteilchen am ARGUS-Detektor im Jahr 1987. Schopper leitete auch die Gründung von HASYLAB, dem Beginn der Forschung mit Photonen bei DESY, und bereitete das Zentrum für den Beschleuniger HERA vor. „Dank Herwig hat DESY sich von einem nationalen zu einem internationalen Labor von Weltruf entwickelt“, sagte Albrecht Wagner, Vorsitzender des DESY-Direktoriums von 1999 bis 2009, an Schoppers 100. Geburtstag. „Seine wissenschaftliche und administrative Weitsicht, gepaart mit seinem Optimismus, seiner Kreativität und oft einer großen Portion Kühnheit, ist beneidenswert.“
Nach seiner Zeit bei DESY wurde er von 1981 bis 1988 Generaldirektor am CERN und stellte auch hier seine Weitsicht und sein diplomatisches Geschick unter Beweis. So ist es zum Beispiel ihm zu verdanken, dass der Ring des Teilchenbeschleunigers LEP größer war als eigentlich nötig – weil Schopper im Geiste bereits den Nachfolger, den derzeit laufenden Large Hadron Collider LHC, plante, der einen größeren Umfang benötigte. Auch administrative und organisatorische Neuerungen, zum Beispiel die komplexen Beteiligungs- und Finanzierungsmodelle von Großforschungsprojekten, sind unter seiner Führung entstanden.
Nach seiner Amtszeit als CERN-Generaldirektor war Herwig Schopper Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten mehrerer Laboratorien, Vorsitzender der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und später der Europäischen Physikalischen Gesellschaft. Eine seiner größten Errungenschaften war SESAME, eine Synchrotronstrahlungsquelle im Nahen Osten, deren Mitbegründer und erster Ratspräsident er war. Er war zudem Mitglied des “Physics Action Council” der UNESCO und leitete die Arbeitsgruppen zu Grossforschungsanlagen ROSTE.
Zu seinem 100. Geburtstag im Jahr 2024 fand ein großes internationales Symposium statt, auf dem auch Schopper selbst sprach – spontan ohne Skript und Notizen, aber wie gewohnt voll Humor, wohlüberlegt und wie gedruckt. Bis zuletzt hat er mit stets messerscharfem Verstand wissenschaftliche Entwicklungen mitverfolgt, seine Memoiren veröffentlicht und nach seinem Umzug nach Hamburg Ende 2024 auch häufiger zu Gast bei DESY, immer ein guter Gesprächs- und Diskussionspartner und interessiert an den aktuellen Entwicklungen auf dem Campus. So war er zum Beispiel am Rande der SESAME-Council-Sitzung Ende Juni 2025 dabei und Ehrengast bei der Amtseinführung von Beate Heinemann im Frühjahr.
DESY wird sicherstellen, dass sein physikalisches Vermächtnis weiterlebt.
Weiterführende Links
Hundert Jahre gelebte Physikgeschichte – Artikel zu Herwig Schoppers 100. Geburtstag