28.06.2025

Tor in die Nanowelt

Nanotechnologie bringt die Medizin erheblich voran. Winzig kleine, speziell designte Partikel schleusen Wirkstoffe in erkrankte Zellen ein oder wirken selbst heilsam. Damit dies möglichst sicher und effektiv geschieht, muss das Verhalten der Nanopartikel nach Eindringen in eine Zelle genau erforscht werden. Synchrotron-Strahlungsquellen bieten dazu die besten Möglichkeiten. Vor allem das geplante Röntgenmikroskop PETRA IV von DESY verspricht detaillierte Erkenntnisse.

In einer neuen Studie hat ein Forschungsteam um Prof. Wolfgang Parak vom Center for Hybrid Nanostructure (CHyN) an der Universität Hamburg, Gerald Falkenberg von DESY und Carlos Sanchez-Cano vom Donostia International Physics Center in Spanien untersucht, welche Verfahren am besten geeignet sind, um zu beobachten, wie Nanopartikel verschiedener Größe in Sphäroide eindringen und sich dort verteilen. Sphäroide sind dreidimensionale Zellaggregate, die in der Zellkultur verwendet werden, um Gewebe oder Tumore zu simulieren. Krebs diente als Beispiel für vielerlei Erkrankungen, bei denen Nanopartikel eine Option zur Therapie bieten können.

Die Untersuchungen wurden am CHyN und an der DESY-Beamline P06 der Röntgenspeicherquelle PETRA III durchgeführt. Diese ist auf Röntgenmikroskopie spezialisiert und ermöglicht verschiedene Untersuchungsmethoden. „PETRA III bot für diese Studie die richtige Kombination aus hoher Strahlungsintensität, starker Fokussierbarkeit und großer Erfahrung der Beamline-Mitarbeitenden im Umgang mit den verschiedenen Methoden zur Messung und Rekonstruktion von 3D-Objekten“, sagt Sanchez-Cano. „So konnten wir die Proben in hoher Auflösung abbilden und in relativ kurzer Zeit viele Messreihen durchführen.

Winzig kleine, speziell designte Partikel schleusen Wirkstoffe in erkrankte Zellen ein oder wirken selbst heilsam.
Röntgenfluoreszenzkarten, die die Verteilung von AuNP (5 nm Durchmesser, rot) und BiNP (40 nm Durchmesser, grün) in einem Tumorsphäroidmodell zeigen. Oben) 3D-Remodellierung des Tumor-Sphäroids. unten) Normalisierte mittlere Intensität (dp) und Volumenabdeckung PNP_coverage(dp) durch NPs in Abhängigkeit von der Eindringtiefe dp. Bilder: Dingcheng Zhu et al.

Die Forschenden haben zweierlei Nanopartikel in verschiedenen Größen zu Sphäroid-Proben gegeben, um zu beobachten, wie weit die Partikel in die Zellhaufen-Modelle eindringen und sich dort verteilen. Sie verwendeten Gold- und Bismut-Nanopartikel in Größen zwischen einem und 100 Nanometern – nicht zuletzt, um den Einfluss der Größe auf die Penetration zu testen. „Logischerweise dringen kleinere Partikel generell leichter und tiefer ein“, sagt Sanchez-Cano. „Aber es gibt bestimmte Größen, die außer der Reihe besser eindringen als andere. Und eben jene will man natürlich kennen.“

Primär ging es aber darum herauszufinden, die Eignung verschiedener Verfahren zur Untersuchung des Eindringens der Nanopartikel in die Zellen zu bewerten und zu vergleichen. Die Forschenden testeten am CHyN Varianten der optischen Fluoreszenz-Mikroskopie, Durchflusszytometrie, die sogenannte induktiv gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie (ICP-MS), die Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM) und an PETRA III die Röntgenfluoreszenz-Mikroskopie. Dabei zeigte sich, dass jede Methode ihre Vor- aber auch Nachteile hat und sie sich vielmehr in Kombination ergänzen sollten.

So bietet die TEM eine exzellente Auflösung bis hinunter auf einen Nanometer und darunter, zeigt also alle Details. Sie benötigt aber eine intensive Präparation der Proben: Das Gewebe muss dehydriert und eingefärbt sein. Zudem muss die Probe ultradünn geschnitten werden, da die Eindringtiefe sehr gering ist. „Und weil die Probe so intensiv präpariert ist, kommt die Verteilung der Nanopartikel auch der Realität nicht unbedingt sehr nah“, sagt Gerald Falkenberg, Koordinator der Beamline P06 bei Desy. „Es stellt sich die Frage der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf lebendes Gewebe.“

Das ist bei der optischen Fluoreszenz-Mikroskopie anders: Dort bleibt das Gewebe, wie es ist, und stattdessen werden die Nanopartikel mit einem fluoreszierenden Marker versehen, um sie sozusagen live beim Eindringen zu beobachten. Das optische Licht ist leicht zu handhaben, es dringt aber auch nur maximal etwa 100 Mikrometer tief ins Gewebe ein, bis es zu sehr aufstreut. Die Auflösung ist viel geringer als bei der TEM, sodass einzelne Nanopartikel nicht zu erkennen sind. Ein weiterer Nachteil: Der Marker kann das Verhalten des Nanopartikels beeinflussen, da er selbst ja auch eine gewisse Größe hat, was insbesondere bei kleinen Partikeln ins Gewicht fällt.

„Eine gute Ergänzung bietet die Röntgenfluoreszenz-Mikroskopie“, sagt Sanchez-Cano. „Sie kommt weitgehend ohne Präparation und Markierung aus und bildet die Nanopartikel selbst ab. Dabei dringt die Strahlung tief ins Gewebe ein, wie wir das auch sonst von Röntgenaufnahmen kennen. Allerdings ist es wegen möglicher Schäden infolge der intensiven Strahlung problematisch, sie bei lebendem Gewebe einzusetzen.“

Unterm Strich bleibt: Es kommt darauf an, was genau man am Verhalten der medizinischen Nanopartikel unter welchen Umständen erforschen will – je nachdem sollte man eine andere Kombination der Beobachtungsverfahren auswählen. Eines aber zeigte die Studie sehr deutlich: „PETRA III“ bietet schon sehr gute Möglichkeiten, so etwas zu untersuchen – nicht umsonst haben wir diese anderen Röntgenquellen vorgezogen“, sagt Sanchez-Cano. „Allerdings hoffen wir dringend auf die Realisierung von PETRA IV, dem Update von PETRA III zur Röntgenquelle der vierten Generation. Denn damit könnten wir solche Untersuchungen in Sachen Präzision und Tempo nochmal auf ein ganz anderes Level heben.“

Petra IV wird für Mikroskopie-Experimente eine 100 Mal größere Strahlungsintensität erreichen als die aktuelle Anlage und deutlich feinere Strahlgrößen erlauben. Das ermöglicht nicht nur eine höhere Bildauflösung, es bedeutet auch erheblich mehr Tempo beim Scannen: „Jedes einzelne Experiment mit einer bestimmten Konfiguration hat in der aktuellen Studie etwa 24 Stunden gedauert“, sagt Sanchez-Cano. „Mit Petra IV könnten wir das auf weniger als eine Stunde reduzieren.“ DESY-Physiker Falkenberg ergänzt, dass außerdem mit der neuartigen sogenannten Compton-Mikroskopie eine gleiche oder sogar bessere Qualität der Ergebnisse mit weit weniger Strahlenschäden zu erzielen wäre. „Und andere Experimente, die hohe Auflösung und lange Bestrahlungszeiten erfordern, werden überhaupt erst möglich.“

PETRA IV wird außerdem noch vielseitiger sein: „Wir können nicht nur schauen, wo in der Zelle sich die Nanopartikel befinden, sondern gleichzeitig auch noch durch Spektroskopie und Beugung ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften bestimmen“, erläutert Falkenberg. Das geht zwar auch schon mit PETRA III – dauert allerdings viel länger und birgt die Gefahr von Ergebnisverfälschungen etwa durch Strahlenschäden.

Die so vielseitige Beamline P06 wird bei PETRA IV durch gleich drei spezialisiertere Beamlines ersetzt werden. Dadurch werden noch anspruchsvollere Studien möglich. „Wichtig ist, dass in einem PETRA IV-Experiment die Proben kryogen, also eingefroren präpariert und gemessen werden können“, sagt Falkenberg. „So ist die Probe dem lebenden Zustand am nächsten, wir vermeiden Präparationsartefakte und vermindern Strahlenschäden. Mit solchen kryogenen Messaufbauten beginnen wir bereits jetzt.“

Darüber hinaus wird das Bio-Imaging-Experiment an PETRA IV solche Untersuchungen auch mit holographischen Methoden kombinieren, was die dreidimensionale Abbildung von Objekten erheblich beschleunigt. „Mit PETRA IV können wir in eine ganz andere Dimension vordringen“, sagt Falkenberg. „Und das gilt nicht nur in der biomedizinischen Forschung, sondern in vielen Bereichen. Mit der chemischen Industrie etwa werden wir Katalysatoren optimieren und neue finden, die andersartige und nachhaltigere Produktionsprozesse und Produkte ermöglichen.“

Eine Forschungsanlage wie PETRA IV, die weltweit ihresgleichen sucht, werde ihre Kosten von über einer Milliarde Euro durch entsprechende Fortschritte in Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft mehrfach wieder einspielen, ist auch Sanchez-Cano überzeugt. Es wäre fahrlässig für den Standort Hamburg, Deutschland und Europa, diese Chance verstreichen zu lassen.

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